Von Wolfgang Effenberger
Angesichts der schwierigen Lage in der Ukraine fordert das einstige SPD-Schwergewicht, Vizekanzler (2013-2018) und Außenminister (2017-2018) Sigmar Gabriel im „Stern“-Interview (12.6.24) eine härtere Gangart gegenüber Russland – notfalls mit deutschen Soldaten. „Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben“(1). Auf dem Höhepunkt der Kalten Krieges diente Gabriel während der Pershing II Nachrüstung von 1979 bis 1981 als Soldat auf Zeit (SaZ 2, letzter Dienstgrad Obergefreiter) in einer Radareinheit der Luftwaffe in Goslar und Faßberg.
Hat Gabriel die Bilder der Millionen gegen die Aufstellung der Pershing II-Raketen und für den Frieden bewegten Menschen nicht wahrgenommen?
Dem Verfasser des Artikels sind sie noch in Erinnerung, ebenso die markanten Sprüche des US-Präsidenten Ronald Reagan, die in einem Enthauptungschlag gegen die Befehlszentren um Moskau gipfelten. Das hätte auch gründlich schiefgehen können!
Der so im Kalten Krieg gestählte Obergefreite fordert nun ein klares Signal an Putin
„Stopp diesen Krieg – oder wir tragen ihn zu dir. Wenn das heißt, dass deutsche Raketenabwehrsysteme mithilfe der Bundeswehr Flugverbotszonen in der Ukraine durchsetzen, um damit ukrainische Städte vor den russischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu schützen, würde ich Herrn Putin nicht schon wieder versprechen, dass wir das nie tun werden.“(2) Und Gabriel weiter: „Niemand wünscht sich, die Bundeswehr in einen Krieg führen zu müssen. Aber wenn die Gefahr wächst, dass die Ukraine verliert, dann zerstört das auch unser bisheriges Leben in Frieden und Sicherheit in Europa.“(3)
Putin denke längst weit über die Ukraine hinaus. „Er führt einen Krieg gegen den Westen, den er für dekadent hält, dessen Werte er ablehnt und als Gefahr für seine Macht sieht“(4).
Welche Werte meint hier Gabriel? Pride-Month, Christopher Street Day, LGBT, Gender-Auswüchse und unkontrollierte Massenmigration? Diese „Werte“ lehnt nicht nur Putin ab, sondern inzwischen auch immer mehr unserer muslimischen Mitbürger.
Putin sieht die „westlichen Werte“ ganz und gar nicht als „Gefahr für seine Macht“ an, im Gegenteil. Diese „westlichen Werte“ findet die überwiegende Mehrheit der Russen abstoßend und sie bringen die Russen dazu, Putin dabei zu unterstützen, das alles von Russland fernzuhalten.
Gabriels Doppelstrategie: Eisenfuß und weitere Friedenskonferenz
Der Ex-Außenminister fordert, Russland weit härter entgegenzutreten, als das bislang gemacht wurde, und zwar mit einer Doppelstrategie: „Putin unseren Eisenfuß entgegenstellen und zugleich nach Gesprächsformaten und damit nach Auswegen aus dem Krieg suchen.“(5) Dazu gehöre auch eine weitere Friedenskonferenz.
Was hat Gabriel in den Monaten vor dem russischen Angriff für eine Friedenslösung getan?
Eine große Chance bot die „Gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine, der europäischen Energiesicherheit und unserer Klimaziele“ vom 21. Juli 2021.
Dort heißt es eingangs, dass die Vereinigten Staaten und Deutschland mit Nachdruck die Souveränität der Ukraine, deren territoriale Unversehrtheit, Unabhängigkeit und den von ihr eingeschlagenen europäischen Weg unterstützen, zum anderen aber auch: „Die Vereinigten Staaten versichern ihre Unterstützung für die Bemühungen Deutschlands und Frankreichs, Frieden in der Ostukraine im Rahmen des Normandie-Formats zu erreichen. Deutschland wird seine Anstrengungen innerhalb des Normandie-Formats intensivieren, um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zu ermöglichen.“(6) Diese Forderung wurde weder von der Merkel- noch von der Scholz-Regierung aufgegriffen. War sie nur ein Lippenbekenntnis zur Täuschung Russlands? Warum hat Gabriel hier nicht sein Gewicht eingebracht?
Und warum hat Gabriel zur russischen Entwurfsvorlage für ein Sicherheitsabkommen (an USA und NATO am 15. Dezember 2021 verschickt) geschwiegen? Das waren ja durchaus verhandlungswürdige Bedingungen (vorausgesetzt der Frieden war gewollt):
Hier eine komprimierte Zusammenfassung des Inhalts:
- eine weitere NATO-Erweiterung und den Beitritt der Ukraine zum Bündnis ausschließen;
- bestätigen, dass sich die Parteien nicht als Gegner betrachten,
- die Vereinbarung zur friedlichen Beilegung aller Streitigkeiten festigen und auf die Gewaltanwendung verzichten;
- keine zusätzlichen Militärs und Waffen außerhalb der Länder einsetzen, in denen sie sich ab Mai 1997 befanden, außer in Ausnahmefällen mit Zustimmung Russlands und der NATO-Mitglieder;
- alle militärischen Aktivitäten der NATO in der Ukraine, Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien unterlassen;
- keine Mittel- und Kurzstreckenraketen dort stationieren, wo sie das Territorium der anderen Partei treffen können;
- keine Übungen und andere Manöver über eine Brigade hinaus in der vereinbarten Grenzzone durchführen, regelmäßig Informationen über militärische Übungen austauschen;
- sich verpflichten, keine Bedingungen zu schaffen, die von der anderen Partei als Bedrohung angesehen werden können;
- „Notrufnummer“ für Notfälle bereitstellen.(7)
Die USA ließen jedoch die russische Seite ins Leere laufen – zwei Monate später stand der Westen im Krieg.
Bemerkenswert und aufschlußreich war dann das ausführliche Interview mit dem Eingeständnis von Angela Merkel am 7. Dezember 2022. „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben,“ sagte die frühere deutsche Bundekanzlerin der Wochenzeitung Die Zeit. „Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“(8)
Bisher war das Minsk-Abkommen, das Merkel gemeinsam mit dem damaligen französischen Präsidenten François Hollande, dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbart hatte, als Bemühen um Frieden dargestellt worden, das der russische Präsident angeblich später durchkreuzt habe.
Nun bestätigt Merkel, dass die Nato von Anfang an Krieg wollte, aber Zeit für die militärische Vorbereitung brauchte.
Mit der Auflösung der Warschauer Vertragsstaaten und der Sowjetunion war die Welt auf einmal nicht mehr in zwei Blöcke aufgeteilt. Sofort ergriffen die USA die Chance, „einzige Weltmacht“ zu werden und die unipolare Welt für sich zu sichern.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Die Ziele ihrer Interventionen im Nahen Osten, Zentralasien und Afrika und ihrer Konfrontation mit Russland und China verschleierten sie lange mithilfe von Schlagworten wie »Verteidigung der Menschenrechte« und »Krieg gegen den Terror«. Hier eine nicht vollständige Liste:
Irak (1991), Balkan (ab 1992), Somalia (1992), Irak 1993, Haiti 94, Sudan 1998, Jugoslawien (1999), Afghanistan (2001), Somalia (2001), Irak (2003), Haiti (2004), Libyen (2011), Syrien (2012), Uganda, (2014), Liberia (2014), Naher Osten (2014), Jemen (2015), Jemen (2024)
Seit dem 1999 ohne UN-Mandat gegen Jugoslawien geführten Krieg werden alle Kriege ohne UN-Mandat, d.h. völkerrechtswidrig geführt.
Darüberhinaus wurde die NATO nach Osteuropa ausgedehnt. Nun sollen auch die Ukraine, Georgien und andere ehemalige Sowjetrepubliken in die NATO integriert und Russland unterworfen werden. Es locken unvorstellbare Ressourcen und ein geopolitisches Ziel: China zu isolieren.
In Wirklichkeit geht es um die unipolare Weltordnung einschließlich einer von Washington vorgegebenen „regelbasierten internationalen Ordnung„. Um ihrer wirtschaftlichen Schwäche und den extremen sozialen Spannungen im Inneren entgegenzuwirken, riskiert die amerikanische Glabal-Elite einen Weltkrieg zwischen Atommächten.(9)
Die deutsche Regierung nutzt den Ukrainekrieg, um ihren Anspruch durchzusetzen, europäische Führungsmacht und militärische Großmacht zu werden. Merkels dritte Regierung, eine Große Koalition von CDU/CSU und SPD, hatte 2013 dieses Ziel ins Zentrum ihres Regierungsprogramms gestellt.
„Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen,“ hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der heutige Bundespräsident, damals auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt. Deutschland sei „zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“(10).
Nur zwei Monate nach dem Antritt der Regierung Merkel III organisierten die USA und Deutschland im Februar 2014 einen Putsch in der Ukraine.
Gabriel, von 2009-2017 Bundesvorsitzender der SPD und von 2013 bis 2018 Vizekanzler, können diese Entwicklungen nicht verborgen geblieben sein!
Bevor Gabriel – heute Berater in lukrativen Unternehmen und hochdotierter Publizist – von Friedenskonferenzen träumt, sollte er sich zunächst mit der jüngsten Geschichte vertraut machen. Eine Friedenskonferenz kann nur Erfolg haben, wenn das inzwischen vollkommen zerstörte Vertrauen wieder aufgebaut ist. Und die Bringschuld liegt hier eindeutig beim Westen.
Gabriel: Vom Paulus zum Saulus oder umgekehrt?
Gabriels SPD-Karriere ist eng verbunden mit der von Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Wie Schröder setzte er sich für die Pipeline North-Stream II und für einen schrittweisen Abbau der Russlandsanktionen ein.
Das sogar noch als Außenminister auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2018. Er sagte, er wisse, dass die „offizielle Position“ eine andere sei. Das führte seitens der damaligen SPD-Vorsitzenden Nahles und des damaligen Finanzministers Olaf Scholz zur Empfehlung, Gabriel – auch wegen seiner fortgesetzten Nähe zu russlandfreundlichen Kreisen um Ex-Bundeskanzler Schröder – als Außenminister zu ersetzen.(11)
Im Mai 2022 griff die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Gabriel heftig an, weil er angeblich „nah an Putin„(12) sei, so die damalige Überschrift des Artikels. Entgangen war der FAZ wohl, dass Gabriel nach dem Verlust seiner Ämter 2018 unmittelbar einen beeindruckenden Kurswechsel vornahm und die Nähe zu transatlantischen Organisationen suchte.
In seiner Zeit als Außenminister hatte sich Gabriel mehrmals mit Putin getroffen. Nun leitete er seine Volte mit dem Bekenntnis ein, er gehre zu „den Politikern, die sich in Russland und seinem Präsidenten geirrt haben“(13). Diesen Fehler wolle er nicht noch einmal machen.
- Seit Mai 2018 ist er in dem Kuratorium der International Crisis Group(14)
- Von Juni 2018 bis zum Frühjahr 2020 war er als Autor für die Holtzbrinck-Medien Handelsblatt, Der Tagesspiegel und Die Zeit tätig und verdiente damit zwischen 15.000 und 30.000 Euro im Monat.(15)
- Im März 2019 trat Gabriel in einem Interview für eine geopolitische Strategie und eine gemeinsame Verteidigungspolitik der Europäischen Union ein. Er verwendete dazu die Metapher eines „vegetarischen“ bzw. (nach dem Brexit) „veganen“ Europa, das einer Welt von „Fleischfressern“ gegenüberstehe.(16) Das war die Empfehlungsbotschaft an die Hard-Core-Transatlantiker
- seit Juni 2019 ist er Vorsitzender der Atlantik-Brücke(17) , eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland und Mitglied der Trilateralen Kommission(18) sowie des European Council on Foreign Relations.(19)
- Am 24. Januar 2020 nominierte ihn der Staat Katar (Aktionär der Deutschen Bank) als seinen Vertreter im Aufsichtsrat.(20)
- Am 20. Mai 2020 wurde Gabriel als Mitglied des Integritätsausschusses der Deutschen Bank in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank gewählt.(21)
- Im Mai 2020 wurde auch bekannt, dass Gabriel in den Aufsichtsrat von Siemens Energy gewählt wurde.(22)
- Anfang April 2022 wurde bekannt, dass Gabriel Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp Steel Europe wird.(23)
Gabriel war zu dem Zeitpunkt des FAZ-Artikels aber schon knapp drei Jahre Chef der radikal transatlantischen Lobbyorganisation Atlantikbrücke, bei der ein „Russlandfreund“ normalerweise nicht einmal einen Job als Fensterputzer bekommt. Dass Gabriel in Wirklichkeit ein radikaler Falke ist, hat er nun in einem Interview mit dem Stern (24)demonstriert. In dem Interview hat Gabriel im Ukraine-Konflikt eine härtere Gangart gegen Russland gefordert und dabei auch die Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine ins Spiel gebracht.
Das Stern-Interview mit Gabriel zeigt, wie gefährlich die von den USA kontrollierten transatlantischen Thinktanks und deren Sprechpuppen sind.(25)
Nun will der Chef der Atlantikbrücke „Russland niederringen„ und dazu notfalls auch deutsche Truppen in die Ukraine schicken; er begibt sich damit auf Konfrontrationskurs zu Kanzler Olaf Scholz. Oder soll hier eine Fehde von 2018 zu Ende gebracht werden?
Die Schlappe bei der Europa-Wahl nutze Gabriel bereits am Tag nach der Wahl zum Frontal-Angriff auf Scholz und die anderen Ampel-Parteien: „die Bevölkerung ist durch mit dieser Regierung.“ Offen stellte er infrage, ob Lars Klingbeil und Saskia Esken noch die richtigen für den Job als SPD-Vorsitzende seien.(26)
Dann folgt Gabriels Kritik an Scholz‘ roten Linien im Ukraine-Krieg. Dass der Kanzler solche immer wieder gezogen hat, bemängelt nicht nur die kampfentschlossene SPD-Größe, sondern zuvor schon transatlantische Experten und washingtonaffine Verbündete.
Auf dem Gipfel der G7-Staaten im italienischen Borgo Egnazia lobte Bundeskanzler Olaf Scholz den „historischen Schritt“, der Ukraine die Zinserträge aus eingefrorenen russischen Vermögen zur Verfügung zu stellen. Damit sei die Grundlage geschaffen, „dass die Ukraine in der Lage ist, in der nächsten Zeit all das zu beschaffen, was sie beschaffen muss an Waffen, aber auch an Investitionen in den Wiederaufbau oder in die Energieinfrastruktur“.(27)
Bei diesem Stellvertreterkrieg in der Ukraine geht es in erster Linie um die geopolitischen Ziele der US-Machtelite. Dazu gehört auch die Sicherung von wichtigen Mineralien und die Verhinderung des Zugriffs auf diese Ressourcen durch Dritte.
In einem Fernsehinterview betonte US-Senator Lindsey Graham die wirtschaftliche Bedeutung der Ukraine für den Westen: Sie sei eine „Goldmine“ mit wichtigen Mineralien im Wert von 12 Billionen Dollar.
Der Moderator von The Face Nation, Ben Norton, erörterte, wie scharf westliche Unternehmen auf diese vor allem im Osten der Ukraine liegenden Ressourcen sind und wie Washington hofft, China den Zugang zu ihnen zu verwehren, um dessen Technologiebranche zu schädigen.(28)
„Zelensky verkauft die Ukraine buchstäblich an der Wall Street an US-Konzerne“, so titelte geopolitcaleconomy.com, um dann auszuführen:
„Der vom Westen unterstützte ukrainische Staatschef Wolodymyr Zelensky eröffnete die New Yorker Börse, indem er der Wall Street mitteilte, sein Land sei „offen“ für ausländische Unternehmen, die es mit 400 Milliarden Dollar an Staatsverkäufen ausbeuten wollen“.(29)
Zu Beginn der Ukraine-Wiederaufbau-Konferenz wurde Präsident Selenskyi von der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas überschwänglich begrüßt und die ukrainische Demokratie als vorbildlich dargestellt:
„Meine Damen und Herren, unsere Kolleginnen und Kollegen im ukrainischen Parlament tagen selbst in Kriegszeiten regelmäßig. Das zeigt eindrucksvoll: Das ukrainische Parlament und die ukrainische Demokratie lassen sich nicht unterkriegen!“(30)
Frau Bas scheint es wohl entgangen zu sein, dass die Amtszeit des ukrainischen Präsidenten formell am 20. Mai 2024 endete. Wahlen hätten turnusgemäß im März stattfinden sollen.
An der Debatte über die Rechtmäßigkeit eines nicht durch eine Wahl bestätigten Präsidenten beteiligten sich nicht nur aktive Juristen, sondern auch Veteranen der ukrainischen Politik. Wie beispielsweise Hryhorij Omeltschenko, der Mitte der 1990er Jahre als Parlamentarier der Kommission zur Ausarbeitung der Verfassung angehörte.
In einem offenen Brief an Selenskyj, der im März von der Zeitung Ukrajina Moloda veröffentlicht wurde, forderte er den Präsidenten auf, „die Staatsmacht nicht zu usurpieren“, also nicht an sich zu reißen und im Mai 2024 freiwillig zurückzutreten.(31) Nun scheint die Amtsdauer von Selenskyi weitgehend von den Aktivitäten Putins, der in den Märzwahlen eindeutig siegen konnte (was das EU-Parlament aber nicht anerkannte), den westlichen Verbündeten und der Niederschlagung jeglicher Opposition im eigen Land abzuhängen.
Auch die weiteren Ausführungen der Bundestagspräsidentin ließ eine merkwürdige Geschichtsinterpretation erkennen.
Ihre Feststellung, dass ukrainische Soldaten Deutschland von den Nazis befreit hätten und deshalb unsere Freunde seien, widerspricht der geschichtlichen Realität, denn es waren Truppen der UdSSR, die dies unter schwersten Verlusten erreichten.
West-Ukrainer hingegen begrüßten und bejubelten die einmarschierenden NS-Truppen als Befreier von der sowjetischen Herrschaft und unterstützten den Vormarsch.
West-Ukrainer bildeten auch die berüchtigte 14. Waffen SS-Grenadierdivision Galizien, die für ihre Massenmorde und Greueltaten an Russen, Polen und Juden bekannt war.
Schon einmal hat ein demokratisches Parlament, das kanadische, ein ukrainisches Mitglied der SS, zusammen mit dem damaligen Präsidenten Selenskyj, mit „Standing Ovations“ bedacht.
Die Nazi-Kollaborateure und Massenmörder Bandera und Melnik werden heute von den Regierenden als Volkshelden der Ukraine verehrt.
Frau Bas erwähnte in ihrer Rede ihren Besuch beim ukrainischen Parlamentspräsidenten und fand lobende Worte für das Demokratieverständnis des ukrainischen Parlaments. Hat die SPD-Genossin dort auch mit der sozialdemokratischen Fraktion sprechen können? Selbst der Deutschlandfunkt brachte eine Sendung „Die Opposition fürchtet sich vor Demokratieabbau„: Mehr Macht beim Präsidenten, Behinderung der Opposition, Druck auf Journalisten. Dazu kommt die Angst Vieler, dass die Demokratie im Schatten des Krieges geschwächt wird. Die Zivilgesellschaft will das nicht hinnehmen.(32) Dem Verfasser des Artikels liegen glaubwürdige Hinweise vor, dass es keine freien Gewerkschaften mehr gibt und die Medien gleichgeschaltet sind.
Es ist traurig, dass in der Ukraine Menschen für Interessen sterben müssen, oder zu Krüppeln geschossen werden, die nicht ihre sind.
Frau Bas beendete ihre Rede mit dem Schlachtruf „Slawa Ukrajini!“(Ruhm/Ehre der Ukraine).
Wir sind längst Kriegspartei.
Nachdem die BRD sich am 16. Februar 2024 mit einem vorerst auf 10 Jahre beschränkten Sicherheitsabkommen (Herstellung der Souveränität in den Grenzen von 1991 – einschl. Der Krim) an das Schicksal der Ukraine gekettet hat, gehen die Kriegsplanungen unvermindert weiter.
Für den geplanten Ausbau der NATO-Anstrengungen im ukrainischen Stellvertreterkrieg gegen Russland sieht der neue Operationsplan der NATO ein Ukraine-Hauptquartier in Wiesbaden vor (künftig natürlich ein bevorzugtes Angriffsziel).
Dort sollen die Waffenlieferungen – die NATO verpflichtet nun alle Mitgliedsländer zur Abgabe ihres Kriegsmaterials an die Ukraine – und die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte koordiniert werden.(33)
Dieser Ausbau lässt darauf schließen, dass mit einer Weiterführung des Krieges gerechnet wird. Zur Berliner Zeitung sagte die außenpolitische Sprecherin des Bündnis Sahra Wagenknecht im Bundestag, Sevim Dagdelen,
„Die Einrichtung eines eigenen NATO-Hauptquartiers in Deutschland für die Fortführung des Ukraine-Kriegs führt den sogenannten Friedensgipfel in den Schweizer Bergen vollends ins Absurde. Es ist unverantwortlich, wie Kanzler Scholz und die Ampelregierung Deutschland zunehmend mehr zur Konfliktpartei machen und die Sicherheit der Bürger gefährden, statt Verhandlungsangebote aus Moskau auch nur zu prüfen.“(34)
Wiesbaden war über die Entscheidung nicht informiert. Von der Stadt heißt es am Freitag: „Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat von diesen Plänen zuvor nichts erfahren. Die Stadt wird NATO und US-Streitkräfte zeitnah kontaktieren, um Details zu klären.“(35)
Für Lawrow ist klar, dass aufgrund des Russland-feindlichen Verhaltens Europa für Russland mindestens eine Generation irrelevant sein wird. „Die bloße Existenz unseres Landes wird von vielen aggressiven Russophoben als Bedrohung für die globale Vorherrschaft der von Washington geführten goldenen Milliarde angesehen. Wie jeder in diesem Saal verfolgen auch wir, was die westlichen Denkfabriken tun, wenn sie Szenarien entwickeln, um uns maximalen Schaden zuzufügen, und dazu aufrufen, Kiew mit immer neuen Waffentypen zu versorgen. Sie sprechen jetzt offiziell, auf der Ebene von Regierungsmitgliedern, über die Möglichkeit, einen beliebigen Teil des russischen Territoriums anzugreifen“.
Putins Grundsatzrede im russischen Außenministerium (14.6.24)
In seiner letzten Grundsatz-Rede im Außenministerium im November 2021 appellierte Putin an die russischen Diplomaten, trotz aller Wort- und Vertragsbrüche des Westens noch einmal alles in ihrer Macht stehende zu tun, um eine Eskalation in der Ukraine zu verhindern.
Wenige Wochen später unterbreitete das russische Außenministerium Mitte Dezember 2021 den USA und der NATO Vorschläge für gegenseitige Sicherheitsgarantien, die die NATO und die USA zum Monatswechsel Januar/Februar 2022 ablehnten; danach wurde die Eskalation in der Ukraine, die nur drei Wochen später einsetzte, unausweichlich.
Nun hielt Präsident Putin im russischen Außenministerium wieder eine Grundsatzrede über die außenpolitischen Ziele Russlands; eingangs blickte er auf die Rede im November 2021 zurück:
„Seitdem haben sich im Land und in der Welt ohne Übertreibung viele entscheidende und folgenschwere Dinge ereignet. Daher halte ich es für wichtig, die aktuelle Situation in globalen und regionalen Angelegenheiten zu bewerten und die entsprechenden Aufgaben für das Außenministerium festzulegen. Alle diese Aufgaben sind dem Hauptziel untergeordnet: die Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung des Landes zu schaffen, seine Sicherheit zu gewährleisten und das Wohlergehen der russischen Familien zu verbessern.“(36)
Putin machte deutlich, dass die Länder des globalen Südens und Ostens in den Vordergrund rücken und die Rolle Afrikas und Lateinamerikas wächst: „Seit den Zeiten der Sowjetunion haben wir immer von der Bedeutung dieser Regionen der Welt gesprochen, aber heute ist die Dynamik eine ganz andere, und das merkt man. Auch in Eurasien, wo eine Reihe von groß angelegten Integrationsprojekten aktiv umgesetzt wird, hat sich das Tempo der Transformation deutlich beschleunigt.“
Auf der Grundlage dieser neuen politischen und wirtschaftlichen Realität würden sich heute in einem objektiven Prozess die Konturen einer multipolaren und multilateralen Weltordnung herausbilden.
Dieser Prozess spiegele die kulturelle und zivilisatorische Vielfalt wider, einschließlich der Achtung des Völkerrechts. So könnten die komplexesten Probleme zum gemeinsamen Nutzen gelöst und im Interesse des Wohlergehens und der Sicherheit der Völker Beziehungen und eine Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten zum gegenseitigen Nutzen aufgebaut werden.
„Generell glaube ich“, so Putin, „dass die BRICS aufgrund ihres Potenzials in der Lage sein werden, zu einer der zentralen Regulierungsinstitutionen der multipolaren Weltordnung zu werden. Wir sind daran interessiert, dass dieser Dialog innerhalb der Vereinten Nationen ernsthaft geführt wird, auch über ein so grundlegendes Thema, das für alle von entscheidender Bedeutung ist, wie die Schaffung eines Systems der unteilbaren Sicherheit. Mit anderen Worten, die Verankerung des Grundsatzes im internationalen Umgang, dass die Sicherheit der einen nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen gewährleistet werden darf.“
Am Ende der akuten militärisch-ideologischen Konfrontation (90/91) versäumte es die Weltgemeinschaft, eine verlässliche und gerechte Ordnung im Bereich der Sicherheit zu schaffen. „Die westlichen Mächte, allen voran die USA, meinten, den Kalten Krieg gewonnen und das Recht zu haben, selbst zu bestimmen, wie die Welt organisiert werden sollte. Praktischer Ausdruck dieser Sichtweise war das Projekt der unbegrenzten räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des nordatlantischen Blocks, obwohl es natürlich auch andere Ideen gab, wie die Sicherheit in Europa gewährleistet werden könnte. Erinnern wir uns zumindest an die Idee des Vertrages über die europäische Sicherheit, die wir bereits 2008 vorgeschlagen haben. Die gleichen Themen wurden in dem Memorandum des russischen Außenministeriums angesprochen, das den USA und der NATO im Dezember 2021 übergeben wurde.“
Das westliche Schema erwies sich nicht als Grant von Sicherheit und Wohlstand in Europa. Putin erinnerte an die Tragödie auf dem Balkan. Die inneren Probleme, die sich im ehemaligen Jugoslawien angehäuft hatten, wurden durch die grobe Einmischung von außen noch deutlich verschärft.
„Wie wir sehr gut wissen“ so Putin, „wurden gleichen Methoden danach in verschiedenen Teilen der Welt angewandt: Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan und so weiter, und sie brachten nichts anderes als eine Verschärfung der bestehenden Probleme, gebrochene Schicksale von Millionen von Menschen, die Zerstörung ganzer Staaten, die Ausweitung humanitärer und sozialer Katastrophen und terroristische Enklaven. Im Grunde ist kein Land der Welt davor gefeit, in diese traurige Liste aufgenommen zu werden.“
Für Putin haben letztlich der Egoismus und die Arroganz der westlichen Staaten zu der heutigen, äußerst gefährlichen Situation geführt. „Wir sind dem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt, unannehmbar nahe gekommen. Der Ruf nach einer strategischen Niederlage Russlands, das über die größten Atomwaffenarsenale verfügt, zeigt das extreme Abenteurertum der westlichen Politiker. Entweder begreifen sie das Ausmaß der Bedrohung nicht, die sie selbst darstellen, oder sie sind einfach besessen von dem Glauben an ihre eigene Straffreiheit und ihren eigenen Exklusivität. Beides kann sich als tragisch erweisen. Offensichtlich erleben wir gerade den Zusammenbruch des euro-atlantischen Sicherheitssystems. Heute existiert es einfach nicht mehr. Es muss praktisch neu geschaffen werden.“
Putin verwies auf eine von hochrangigen europäischen Persönlichkeiten auf den Weg gebrachte antirussische Propagandakampagne, die von Spekulationen begleitet wird, dass Russland angeblich Europa angreifen wird. „Ich habe mich dazu schon oft geäußert, und es ist nicht nötig, das in diesem Saal noch einmal zu wiederholen: Wir alle wissen, dass das absoluter Unsinn ist und nur eine Rechtfertigung für ein Wettrüsten darstellt.“
Laut Putin geht die Gefahr für Europa nicht von Russland aus. „Die Hauptbedrohung für die Europäer ist die kritische und ständig wachsende, fast totale Abhängigkeit von den USA: im militärischen, politischen, technologischen, ideologischen und medialen Bereich. Europa wird zunehmend an den Rand der globalen wirtschaftlichen Entwicklung gedrängt, in das Chaos der Migration und anderer akuter Probleme gestürzt und seiner internationalen Subjektivität und kulturellen Identität beraubt. Wenn Europa eines der unabhängigen Zentren der Entwicklung der Welt und kultureller und zivilisatorischer Pol des Planeten bleiben will, braucht es auf jeden Fall gute und freundliche Beziehungen zu Russland, und das Wichtigste ist, dass die Europäer dazu bereit sind.“
Putin erinnerte sich an ein Gespräch mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl 1991, an dem er persönlich teilnehmen durfte, in dem Kohl die Bedeutung der Partnerschaft zwischen Europa und Russland hervorhob. „Ich vertraue darauf“ so Putin, „dass sich neue Generationen europäischer Politiker früher oder später auf dieses Erbe besinnen werden … Was die USA selbst betrifft, so erschöpfen die andauernden Versuche der heute dort herrschenden liberal-globalistischen Eliten, ihre Ideologie mit allen Mitteln in der ganzen Welt zu verbreiten, ihren imperialen Status und ihre Vorherrschaft zu bewahren, das Land immer mehr, führen es in den Niedergang und stehen in klarem Widerspruch zu den wahren Interessen des amerikanischen Volkes. Ohne diese Sackgasse, den aggressiven Messianismus, gemischt mit dem Glauben an die eigene Auserwähltheit und Exklusivität, hätten sich die internationalen Beziehungen längst stabilisiert.“
Für Putin ist die Krise in der Ukraine kein Konflikt zwischen zwei Staaten und schon gar nicht zwischen zwei Völkern, der durch Probleme zwischen ihnen verursacht wurde. „Wäre das der Fall, so hätten Russen und Ukrainer, die eine gemeinsame Geschichte und Kultur, geistige Werte, Millionen von verwandtschaftlichen, familiären und menschlichen Bindungen teilen, zweifellos einen Weg gefunden, alle Probleme und Meinungsverschiedenheiten auf faire Weise zu lösen …Doch das ist anders: Die Wurzeln des Konflikts liegen nicht in den bilateralen Beziehungen. Die Ereignisse in der Ukraine sind eine direkte Folge der weltweiten und europäischen Entwicklung des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts, der aggressiven, rücksichtslosen und absolut abenteuerlichen Politik, die der Westen in all den Jahren verfolgt hat, lange bevor die Militäroperation begann.“
Im April hat das EU-Parlament einen Beschluss gefasst, «Wladimir Putin nicht als legitimen Präsidenten anzuerkennen und alle Kontakte mit ihm abgesehen von humanitären Fragen und dem „Frieden in der Ukraine“ zu unterbinden.» Diese Entschließung wurde «von 493 Abgeordneten bei 11 „Nein“-Stimmen und 18 Enthaltungen unterstützt». Für Lawrow ist klar: «Die bloße Existenz unseres Landes wird von vielen aggressiven Russophoben als Bedrohung für die globale Vorherrschaft der von Washington geführten goldenen Milliarde angesehen.» Die amerikanischen und europäischen Strategiepapier und die faktischen Handlungen lassen keinen anderen Schluss zu.
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm
„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020)
sowie
„Die unterschätzte Macht“ (2022)
Quellen und Anmerkungen
1)https://www.mmnews.de/politik/218168-gabriel-bringt-deutsche-truppen-fuer-ukraine-ins-spiel#
2)Ebda.
3)Ebda.
4)https://www.n-tv.de/politik/Gabriel-Muessen-Russland-niederringen-article25007806.htmlA
6)https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/gemeinsame-erklaerung-usa-und-deutschland/2472074
8)ttps://www.wsws.org/de/articles/2022/12/20/merk-d20.html
10)Reinhard Bingener, Markus Wehner: Nah an Putin. In: faz.net. 21. Mai 2022
11)https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/russlandpolitik-der-spd-nah-an-putin-18047450.html
13)Gabriel übernimmt Posten in Denkfabrik für Krisenbewältigung. In: wiwo.de, 25. Mai 2018.
14)Vorbild für freie Journalisten. In: taz.de, 9. Oktober 2018
15)Ex-Bundesaußenminister Gabriel bezeichnet EU als „letzten Vegetarier der Weltpolitik“. In: Kölner Stadtanzeiger, 9. März 2019
16)Gabriel folgt Merz im Vorsitz der Atlantik-Brücke. In: spiegel.de, 26. Juni 2019
17)trilateral.org: Trilateral Commission Membership List. 2
18)↑ ECFR Council Membership. In: ecfr.eu.
19)Paul-Anton Krüger: EU-Korruptionsverdacht und Katar: Was steckt hinter der „Erfolgsstory“?
20)Christian Teevs, Veit Medick, Stefan Kaiser, Sebastian Fischer, Lukas Eberle: Sigmar Gabriels Beratertätigkeit bei Tönnies entsetzt SPD. In: spiegel.de. 2. Juli 2020
21)Ebda.
22)Gabriel wird neuer Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel Europe. In: www.faz.net. 7. April 2022,
26)tps://www.tagesschau.de/ausland/g7-ukraine-russland-zinsen-102.html
27)https://www.youtube.com/watch?v=3TRPk3N8FyQ
28)ttps://geopoliticaleconomy.com/2022/09/09/zelensky-selling-ukraine-wall-street
29) ttps://www.bundestag.de/parlament/praesidium/reden/2024/20240611-1007544
30)ttps://www.dw.com/de/ukraine-warum-selenskyj-ohne-wahlen-im-amt-bleiben-kann/a-68775868
32)ttps://tkp.at/2024/06/14/wiesbaden-bekommt-nato-hauptquartier-fuer-ukraine/
33)Ebda.
34)Ebda.
35)Dieses und alle folgenden Zitate aus: https://anti-spiegel.ru/2024/putins-komplette-grundsatzrede-zur-russischen-aussenpolitik/