Totgesagte leben länger
Von Peter K. Panem – 25. Februar 2025.
Am Beispiel der PdL (Partei der LINKEN) hat sich dieser Spruch aufs Neue mehr als bewahrheitet. Es ist gerade mal drei Monate her, da war die Partei, nach der Abspaltung von Sahra Wagenknecht und ihrem BSW, schwer angeschlagen und bangte um ihren Wiedereinzug in den Bundestag. Christine Buchholz war wegen mangelnder Kritik an der israelischen Besatzung, Blockade und Vertreibungspolitik in Gaza ausgetreten und Gesine Lötzsch kritisierte den zerstörerischen Kurs der gegenwärtigen Parteiführung, die auf das Thema Friedenspolitik verzichten wolle. Um zumindest über die Grundmandatsklausel auch bei weniger als fünf Prozent mit einigen Direktmandaten in den Bundestag einzuziehen startet die LINKE im Herbst mit Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch die Mission Silberlocke.[1]
Darauf folgte ein kaum zu erwartender Aufschwung dem es letztendlich zu verdanken ist, dass die LINKE bei der Bundestagswahl am 23. Februar mit 8,77 Prozent in den Bundestag einzieht. Mit mehr als 91.000 Mitgliedern[2] (fast 10.000 Neumitglieder) erzielt sie einen neuen Rekordwert, Tendenz steigend. Laut Trendstudie Jugend in Deutschland 2025 liegt die Präferenz für die LINKE besonders von Jungwählern zwischen 18 bis 29 Jahren bei 19 Prozent[3]. Bei Erstwählern kam die LINKE am 23. Februar laut Nachwahlbefragungen auf 27 Prozent als stärkste Partei[4]. Im Gegensatz zu 2021 wählten die woken, finanziell gut gestellten Fridays-For-Furture-Jungwähler jetzt nicht mehr die Grünen sondern, laut einer Wahlanalyse der ARD, vor allem die LINKE.[5]
In der Hauptstadt geht die PdL ebenfalls als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervor, holt 20 Prozent der Zweit- und 22 Prozent der Erststimmen sowie vier Direktmandate, hat damit ihr Ergebnis von 2021/2024 fast verdoppelt und gewinnt in Berlin-Neukölln mit Ferat Kocak (er gehört zur antiimperialistischen Gruppe Marx21[6], organisiert pro-palästinensische Demonstrationen und kritisiert lautstark die Politik Israels in Gaza[7]) sogar den ersten westdeutschen Wahlkreis ihrer Geschichte. Gleichzeitig verlieren die Grünen ihre Hochburg Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost an die LINKE. Die PdL wird heute nicht mehr von Arbeitern und Arbeitslosen gewählt, sondern von, ihre wirtschaftliche Situation zu dreiviertel der Befragten als gut bezeichnenden[8], woken Linken , bzw. deren Kindern. Mit der Übernahme grüner Ideen, Wokismus und TransX hat die PdL Klassenkampf und Friedenspolitik über Bord geworfen und ist, mit vormals eindeutig grünen Themen zu einer neoliberalen, ökolibertären Partei geworden. Sie bespielt damit das gleiche Klientel wie die Grünen, die sich in der Ampel verbraucht haben.
Sucht man nach der Ursache für den Aufschwung scheint dies der sehr erfolgreiche Wahlkampf in den sozialen Netzwerken gewesen zu sein. Während in Rumänien – auf Drängen der USA – demokratische Wahlen annulliert werden, weil auf der, bei Jugendlichen so beliebten App TikTok der anti-EU Kandidat Georgescu angeblich mithilfe Empfehlungsalgorithmen und bezahlter Werbung massiv gefördert wurde, macht die LINKE hierzulande TikTok und Instagram zu ihrer bevorzugten Wahlkampfplattformen[9]. Die LINKE und ihre Ikone Heidi Reichinnek (mit Rosa Luxemburg Tattoo) sind jetzt Pop. Sie ist der neue mediale Shootingstar der PdL, überfüllt die Hallen wie ein Star und wird überall von jubelnden Mengen junger Menschen mit Pony, Piercings und Leopardenmusterjacken, die mehr gegen Feinstaub haben als gegen einen Atomkrieg, gefeiert. Millionen Menschen sollen das Video ihrer Brandmauer-Rede seither gesehen haben. Doch Reichinnek war weder Wunschkandidatin der Ex-Parteispitze Janine Wissler und Martin Schirdewan noch ist sie, wie sie selber von sich sagt, extrovertiert.
Nach dem Bundestagswahlkampf 2025 ist die zuvor chronisch zerstrittene und von Parteiaustritten langjähriger Mitglieder gebeutelte Partei geeint und sammelt sich hinter Reichinnek und dem 63-jährigen Co-Spitzenkandidaten Jan van Aken. In den Medien werden die Partei und ihre Spitzenkandidaten derart nach oben geschrieben, dass man sich schon wundern muss, wo dieser plötzliche Sinneswandel eigentlich herkommt. Was könnte hinter dem plötzlichen und unerwarteten Wiederaufleben der schon totgeglaubten PdL stehen? Gibt es möglicherweise Überlegungen, die die LINKE aus polit-taktischen Gründen unbedingt im Bundestag sehen wollen und dies entsprechend fördern? Oder geht es evtl. darum, den Höhenflug des BSW zu bremsen und eher systemkonforme linke Kräfte im neuen Bundestag sehen zu wollen?
Das Bündnis um Sahra Wagenknecht erreichte im Juni 2024 bei den EU-Wahlen aus dem Stand 6,2 Prozent. Die LINKE lag damals lediglich bei 2,7 Prozent. Bei den Landtagswahlen am 1. und 22. September 2024 kam das BSW in Thüringen auf 15,8 Prozent, in Sachsen auf 11,8 Prozent und in Brandenburg auf 13,5 Prozent. Ähnliche Ergebnisse (außer in Sachsen) erzielte damals auch die LINKE. Das widersprüchliche Agieren bei den Koalitionsverhandlungen auf Landesebene und das nicht wirklich glückliche Handeln bei den Abstimmungen über zwei, von der AfD unterstützte Entschließungsanträge und einen Gesetzentwurf der CDU zum Thema Migration haben dem BSW extrem geschadet.
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl erhält die PdL die höchste Einzelspende ihrer Geschichte. Der 66jährige Karlsruher Unternehmer Nikolaos Fostiropoulos bedenkt die Partei mit einer Spende in Höhe von 300.000 Euro. Für Heidi Reichinnek übernahmen die Robert Bosch Stiftung GmbH (2023) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung e.V. (2024) Reisekosten in einer Gesamthöhe von knapp 16.000 Euro. Im August 2024 hatte die LINKE rund 68.000 Euro vom Verein Campact erhalten. Das Netzwerk Campact besteht aus zwei zentralen Strukturen, einem Verein und einer Stiftung, die gemeinsam an politischen und gesellschaftlichen Kampagnen arbeiten. Campact e.V. wurde 2019 die Gemeinnützigkeit aberkannt und seit Februar 2022 ist der Verein beim Bundestag als Lobbyorganisation registriert. Im Gegensatz zur Stiftung, die nach außen politisch neutral agieren muss, darf der Verein auch politischen Parteien unterstützen, was ihn zu einem interessanten Partner inländischer und ausländischer Geldgeber macht. Denn laut §25 Parteiengesetz ist die Einflussnahme auf Parteien, z. B. durch Parteispenden ausländischer Organisationen verboten.
„Gerade jetzt, nach dem Fall der Brandmauer, braucht es dringend eine stabile, antifaschistische, demokratische und sichtbare Wahlalternative“[10], so steht es auf der Homepage von Campact e.V., und demzufolge unterstützte Campact linke Politiker und deren Wahlkampf bei die Landtagswahlen in den neuen Bundesländern, um die Chancen der AfD zu schmälern und eine Sperrminorität zu verhindern, im August und September 2024 mit rund 449.000 Euro. Woher nimmt Campact diese Gelder? Allein im Jahr 2022 haben die Open Society Foundation des US-Milliardärs George Soros dem Campact Netzwerk für Demokratieprojekte 268.837,87 Euro gezahlt. Im gleichen Jahr erhielt Campact von der European Climate Foundation (ECF) 80.000 Euro. Auch die in den USA ansässige Climate Works Foundation (CWF) förderte das Kampagnennetzwerk 2019 mit 153.711 Euro, 2020 mit 157.139 Euro und 2021 mit 142.904 Euro um die Klima- und Anti-Kohle-Bewegung in Deutschland zu stärken. Neben solchen Spenden ausländischer Geldgeber erhält Campact e.V., zu 50 Prozent beteiligt an der Berliner HateAid gGmbH[11], auch Steuermittel in Form von Fördergeldern für Projekte. Für das Bundesprogramm „Demokratie leben“[12] erhielt die gemeinnützige Firma in den Jahren 2021 bis 2024 insgesamt 2.183.249,86 Euro[13].
Da ausländische Organisationen nach dem Parteigesetz deutsche Parteien nicht direkt unterstützen dürfen wird über Umwege das Campact Netzwerk dazu genutzt, auf Wahlkämpfe oder politische Entwicklungen auch vom Ausland aus Einfluss zu nehmen. So werden die strengen Regeln der Parteispende umgangen. Kritiker sehen hierin eine illegale, verdeckte Parteienfinanzierung aus dem Ausland.
Jetzt unterstützt Campact auch die PdL im Bundestagswahlkampf, denn so ein Social Media Wahlkampf für junge Großstädter muss auch finanziert werden. Während die LINKE-Urgesteine Gysi, Bartsch und Ramelow unter dem Motto „Silberlocken“ einen eher peinlichen Wahlkampfauftritt abliefern und in ihrem Internetclip, entweder versteckt unter Antifa-Sturmhauben oder Mahna Mahna singend, nicht wirklich erfolgreich Werbung für die LINKE machen, trifft Reichinnek mit ihren teils schrillen, teils emotionalen, teil radikalen Auftritten den Nerv der linken Jugend. Die Aufholjagt der PdL und Ihr Wahlkampf Links gegen Rechts entspricht genau dem woken Zeitgeist und beschert der Partei einen immensen Zuwachs an Followern auf Instagram (56.000 in der ersten Februarwoche) und TikTok. Gleichzeitig wird die Partei von den etablierten Leitmedien wie Spiegel oder Bild (die, wie man inzwischen erfahren hat auch reichlich mit ausländischen Dollars finanziert werden) hochgeschrieben, und das bereits zwei Wochen vor der legendären Brandmauer-Sitzung im deutschen Bundestag. Dabei sind es dieselben Themen, die schon seit Jahren auf der Agenda der Partei stehen. Im sächsischen und Thüringer Wahlkampf hatte Campact noch linke und grüne Kandidaten unterstützt, jetzt macht das Netzwerk ausschließlich für die Wahl der LINKEN am 23. Februar 2025 Werbung.
Die LINKE hat in Sachen Friedenspolitik eindeutig die Seiten gewechselt. Die Führungsspitze der LINKEN befürwortet Sanktionen gegen Russland, Gysi wollten dem 100-Milliarden-Aufrüstungsprgramm von Kanzler Scholz zustimmen, Bodo Ramelow, Klaus Lederer und Katina Schubert sprachen sich für die Lieferung von Waffen an die Ukraine aus und die LINKE-Europapolitikerin Carola Rackete, die übrigens kein Parteimitglied ist und eine Auseinandersetzung der PdL mit ihrer SED-Vergangenheit fordert, unterstützt sogar die Lieferung von Taurus-Raketen an Kiew[14]. Damit ist die PdL weit davon entfernt eine Friedenspartei zu sein und voll auf Regierungskurs. Im Gegensatz zu den Grünen, die für keine halbwegs vernünftige Partei noch koalitionsfähig sind, ist die LINKE mit dieser Position natürlich zu einem möglichen Koalitionspartner und willfährigen Mehrheitsbeschaffer geworden, sollte ihre Regierungsbeteiligung – bei einem SPD-Verzicht – doch noch von Nöten oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig sein. Regierungsbeteiligungsgeil war die PdL ja schon immer.
Jetzt, kaum ist der Wahlabend vorbei, macht sich der designierte Bundeskanzler Merz auf dem Weg und hofiert die SPD, die FDP und die Grünen um noch schnell, kurz vor dem Ende der bisherigen Regierung – rein rechtlich ist der alte Bundestag noch bis zum 24. März voll handlungsfähig – die Aufrüstung der Bundeswehr durch Sonderschulden (Parteiensprech = Sondervermögen) und die Reform der Schuldenbremse vor einer neuen Regierungsbildung zu beschließen, denn im neuen Bundestag verfügen die LINKE und die AfD, da für eine solche Entscheidung eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig wäre, über eine Sperrminorität.
Auf der Prioritätenliste einer neuen Bundesregierung steht, aufgrund der erklärten Brandmauer, laut CDU, eine Schwarz-Rote-Zweierkoalition ganz oben, allerdings mit einer schwer angeschlagenen SPD als Juniorpartner. Gleichzeitig mehren sich aber auch Stimmen an der SPD-Basis, die von einer rot-schwarzen Koalition abraten, weil diese der Partei nur schaden und keinen Nutzen bringen würde. Hinzu kommen zahlreiche Sachthemen, bei denen es zwischen CDU und SPD tiefe Gräben zu überwinden gilt. Die kommenden Wochen bleiben also spannend, auch wenn sie das politische Handeln nicht wirklich ändern werden. Alles bleibt beim Alten, man regiert im Großen und Ganzen so weiter wie bisher und alle, die sich von dieser Schicksalswahl irgendeine politische Kehrtwende erwarteten werden, wie schon in den vergangenen Jahren, jetzt wieder vier Jahre – was jedoch sehr unwahrscheinlich erscheint – warten müssen, bis sie ihre Stimme erneut verschwenden dürfen. „Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Verweise:
[1] https://www.mission-silberlocke.de/start/aktuell/
[2] https://www.dielinke-halle.de/service/presse/pressemitteilung-starkes-mitgliederwachstum-des-stadtverbands-die-linke-halle-saale/
[3] https://www.bildungsspiegel.de/news/verschiedenes/7699-trendstudie-jugend-in-deutschland-2025-spezial-zur-bundestagswahl/
[4] https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=1091745532995751&id=100064809428075&_rdr
[5] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/analyse-wanderung.shtml; https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/umfrage-linke.shtml
[6] https://www.welt.de/politik/deutschland/article255533246/Ferat-Kocak-Erdrutschsieg-in-Neukoelln-Polizei-und-Israelkritiker-zieht-fuer-die-Linke-in-den-Bundestag.html
[7] https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitismus-streit-in-der-berliner-linken-wie-die-politsekte-marx-21-die-partei-unterwandert-hat–besonders-in-neukolln-12720005.html
[8]https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/umfrage-linke.shtml
[9] https://www.tiktok.com/@die.linke?lang=de-DE
[10] https://weact.campact.de/petitions/gerechte-medienprasenz-fur-die-linke
[11] https://hateaid.org/transparenzbericht/
[12] https://www.einprozent.de/search?search=%22Demokratie+leben%21%22
[13] https://heimatkurier.at/linksextremismus/spendenskandal-campact-einprozent-leiter-phillip-stein-im-interview
[14] https://x.com/jungewelt/status/1837138029221216616?lang=de&mx=2