Aufsichtsräte in Staatskonzernen
Von Thomas Röper – 25. November 2025.
Erstveröffentlichung: https://anti-spiegel.ru/2025/wie-tief-sind-fuehrende-vertreter-des-westens-in-den-ukrainischen-korruptionsskandal-verwickelt/
Seit zwei Wochen ist der ukrainische Korruptionsskandal bekannt, aber eine entscheidende Frage stellt niemand: Wie tief sind Schlüsselpersonen aus dem Westen in den Skandal verwickelt? Immerhin sitzen in den ukrainischen Staatskonzernen westliche Aufseher, angeblich um die Korruption zu bekämpfen.
Der Korruptionsskandal in der Ukraine wird von europäischen Medien kaum thematisiert, wenn man seine Ausmaße berücksichtigt. Immerhin geht es um den Diebstahl hunderter Millionen Dollar, die der Westen als Hilfsgelder an die Ukraine überwiesen hat. Aber wenn westliche Medien über den Skandal berichten, dann reden sie nur von einigen Freunden des ukrainischen Machthabers Selensky, die die Gelder geklaut haben, dabei steckt da weit mehr dahinter, wie wir gleich sehen werden.
Deutsche Medien sind sehr bemüht, den Eindruck zu erwecken, Selensky selbst habe damit nichts zu tun. Nur wer soll das glauben, wenn Selenskys engstes Umfeld bestehend aus Leuten, mit denen Selensky teilweise seit Jahrzehnten sehr eng befreundet ist, sich dabei bereichert haben und das Anti-Korruptionsbüro der Ukraine (NABU) in seiner Anklageschrift klar betont, dass der Hauptbeschuldigte Minditsch, ein alter Freund und Geschäftspartner von Selensky, „seine freundschaftlichen Beziehungen zu Präsident Selensky und seine Verbindungen zu aktuellen und ehemaligen hochrangigen Regierungs- und Strafverfolgungsbeamten ausnutzte und so seinen erheblichen Einfluss im Staat zu seinem eigenen Vorteil nutzte, um sich durch Straftaten in verschiedenen Sektoren der ukrainischen Wirtschaft illegal zu bereichern“?
In diesem Artikel werde ich weiter Hintergründe des Skandals beleuchten, über die auf Deutsch noch nie berichtet wurde. Da ich dazu zum Verständnis viele Hintergrundinformationen erklären muss, wird dies wieder einer meiner gefürchteten, sehr langen Artikel. Aber glauben Sie mir, die Lektüre lohnt sich.
Welche Frage westliche Medien tunlichst vermeiden
Beginnen wir damit, was die westlichen Medien bei ihrer Berichterstattung über den ukrainischen Korruptionsskandal komplett verschweigen, nämlich die Rolle westlicher Spitzenvertreter bei dem Skandal. In den Aufsichtsräten ukrainischer Staatsfirmen sitzen mehrheitlich Vertreter des Westens, was mit dem angeblichen Kampf gegen Korruption begründet wird.
Das gilt auch für Energoatom, also den ukrainischen staatlichen Energiekonzern, um den es in dem Skandal geht. Der Aufsichtsrat des Unternehmens ist mit handverlesenen Leuten aus dem Westen besetzt, und auch der Finanzchef des Konzerns ist übrigens ein Westler. Als er 2020 ernannt wurde, haben Fachportale über seine Aufgaben geschrieben:
„Hartmut Jakob wird die Finanz- und Wirtschaftsabteilung von Energoatom leiten und sich auf die finanzielle Stabilisierung des Unternehmens konzentrieren.“
Wenn nun bei Energoatom aber mindestens hundert Millionen Dollar mit fingierten Abrechnungen unterschlagen wurden, müsste man doch als erstes den Finanzchef des Unternehmens ins Visier nehmen, dessen Job es ist, solche Dinge zu verhindern. Aber an seine Adresse werden keine Fragen gestellt und die westlichen Medien thematisieren das erst gar nicht, um derartige Fragen zu vermeiden.
Schauen wir uns also mal die Hintergründe an. Warum werden in die Aufsichtsräte ukrainischer Staatskonzerne mehrheitlich Westler berufen? Wann wurde das von wem beschlossen? Welche Gründe wurden dafür genannt und was steckte wirklich dahinter?
Wenn wir uns diese Fragen angeschaut haben, wird auch der aktuelle Korruptionsskandal wesentlich verständlicher.
Das ukrainische Gesetz über Aufsichtsräte
Wer mein Buch „Das Ukraine-Kartell“ gelesen hat, weiß in etwa, worum bei dem Gesetz über Aufsichtsräte geht, denn in dem habe ich darüber berichtet.
Nach dem Maidan war US-Vizepräsident Biden der Ukraine-Beauftragte der US-Regierung und seine Aufgabe war es, in der Ukraine ein Netzwerk aus Gesetzen und Organisationen zu schaffen, das es den USA ermöglicht, die ukrainische Politik komplett zu lenken. Ein Bestandteil dieser Bemühungen war die Gründung des NABU, aber dazu kommen wir später noch.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil war das Gesetz über Aufsichtsräte, das der in den USA ausgebildete Litauer Aivaras Abromavičius als damaliger ukrainischer Wirtschaftsminister durchbrachte. Er wurde im Dezember 2014 ukrainischer Wirtschaftsminister, und um Minister werden zu können, hat Präsident Poroschenko ihm extra die ukrainische Staatsbürgerschaf verliehen.
Abromavičius blieb nur bis Anfang 2016 Wirtschaftsminister, aber in seiner Zeit setzte er die wichtigsten Gesetze um, die von ihm erwartet wurden. Er gehörte in der Ukraine zu den Ministern, die man dort die „Spezialeinheit Reform“ nannte. Unter seiner Führung entstand vor allem das Gesetz über Aufsichtsräte von Staatskonzernen, das offiziell ein Teil des von US-Vizepräsident Biden ausgerufenen Kampfes gegen die Korruption in der Ukraine sein sollte. Der Kampf gegen die Korruption war offiziell eines der wichtigsten Ziele von Vizepräsident Biden, dem Ukraine-Sonderbeauftragten der US-Regierung, und unter diesem Vorwand schuf er ab 2014 das Netzwerk aus Organisationen und Gesetzen, mit denen die USA die Ukraine seitdem kontrollieren.
Das Gesetz über Aufsichtsräte von ukrainischen Staatskonzernen sieht vor, dass vor allem Ausländer in die Aufsichtsräte von ukrainischen Staatskonzernen berufen werden und dass die Vollmachten der Aufsichtsräte ausgeweitet wurden. Das war ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Machtübernahme der USA in der Ukraine, denn die Staatskonzerne spielen in dem Land eine wichtige Rolle. Wer sie kontrolliert, hat die Macht über praktisch alle Wirtschaftszweige des Landes, denn vor allem die Bereiche Energie und Rüstung sind in der Ukraine weitgehend in der Hand von Staatskonzernen. Und über die aus Westlern zusammengesetzten Aufsichtsräte werden diese Schlüsselbereiche der ukrainischen Wirtschaft seit knapp zehn Jahren kontrolliert.
In der Folge wurden in ukrainischen Staatsbetrieben Aufsichtsräte installiert, deren Liste sich wie ein Who-Is-Who der Transatlantiker und „Sorosianer“ (wie die Anhänger von George Soros in der Ukraine genannt werden) liest. Die neu ernannten Aufsichtsräte werden fürstlich bezahlt, ihre Gehälter und Boni gingen von Beginn an in die hunderttausende Dollar. Und das in einem Land, in dem der Durchschnittlohn der normalen Menschen damals bei etwa 200 Dollar lag. Da es sich um Staatskonzerne handelt, haben letztlich die Menschen in der Ukraine die fürstlichen Gehälter der angeblichen Anti-Korruptionswächter aus den USA und Europa in den Aufsichtsräten bezahlt.
Diese Aufsichtsräte gaben den Staatsbetrieben die Richtung vor. Dass sie von den ukrainischen Staatsbetrieben dafür hohe Gehälter bekamen, war praktisch für die USA, die EU, Soros, und andere westliche NGOs, die zuvor den Maidan finanziert und orchestriert hatten, denn sie mussten ihre Leute nun nicht einmal mehr selbst bezahlen, das tat der ukrainische Staat über seine Staatsbetriebe. So bezahlte der ukrainische Staat die Machtübernahme durch die USA in seinen eigenen Staatsbetrieben auch noch selbst.
Energoamtom
Auch Energoatom, um das es bei dem aktuellen Korruptionsskandal geht, ist ein ukrainischer Staatskonzern. Der aktuelle Aufsichtsrat wurde im Juni 2024 ernannt und ihm gehören Timothy John Stone, Michael Elliott Kirst, Neverovitsch, Vitali Petruk und Timofej Milovanow, an. Drei der fünf Aufsichtsräte von Energoatom kommen damit aus dem Westen, die anderen beiden sind dem Westen treu ergebene ukrainische Marionetten.
Timothy John Stone war zuvor unter anderem Vorsitzender der Nuclear Industry Association of Great Britain sowie von Nuclear Risk Insurers, einem weltweit führenden Anbieter von Nuklearversicherungen, und Mitglied des Verwaltungsrats der Europäischen Investitionsbank. Michael Elliott Kirst ist Gründer und Geschäftsführer von EuroAtlantic Partners und bekleidete Führungspositionen beim US-Konzern Westinghouse Electric. Jarek Neverovitsch ist ehemaliger Energieminister Litauens und Chefberater des litauischen Präsidenten für Umwelt- und Infrastrukturfragen. Vitali Petruk leitete von 2015 bis 2019 die staatliche ukrainische Agentur für das Management der Sperrzone bei Tschernobyl. Timofej Milovanow ist ehemaliger Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Handel und Landwirtschaft der Ukraine.
Da die Tatsache, dass Westler nicht nur im Aufsichtsrat von Energaotom sitzen, sondern dort auch die Mehrheit stellen, mit dem Kampf gegen Korruption begründet wird, müssten westliche Journalisten nun danach fragen, wie unter ihrer Aufsicht mindestens hundert Millionen Dollar mithilfe von ziemlich plump gefälschten Abrechnungen aus dem Konzern geklaut werden konnten. Aus den Tonaufnahmen, die das NABU veröffentlicht hat, wissen wir schließlich, dass die Millionen durch vollkommen überhöhte Abrechnungen für irgendwelche Baumaßnahmen und durch das Abrechnen von Baumaßnahmen, die nie gebaut werden sollten und nie gebaut wurden, unterschlagen wurden.
In einem Konzern, der sich den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben hat, was Energoatom auf seiner Internetseite ausdrücklich betont, und der für den Kampf gegen die Korruption aus dem Ausland teure „Spezialisten“ in den Aufsichtsrat beruft, müsste es ja eine Revisionsabteilung geben, die so plumpen Diebstahl mit Hilfe fingierter Rechnungen sofort hätte bemerken müssen, zumal, wenn es um so hohe Summen geht.
Mehr noch: Wie erwähnt ist ein gewisser Hartmut Jakob seit 2020 Finanzvorstand von Energoatom. Diese Revisionsabteilung müsste also unter seiner Aufsicht arbeiten. Aber niemand stellt Fragen, kein westlicher Journalist ruft Herrn Jakob an, um ihn zu fragen, wie all das passieren konnte.
Westliche Medien stellen all diese Fragen nicht, sondern stellen den ukrainischen Korruptionsskandal als etwas dar, das ein paar Kumpels von Selensky hinter dessen Rücken abgezogen haben sollen, ohne dass Selensky – und erst, ohne dass der Westen – etwas davon bemerkt hätten.
Die Rolle des Westens
Dass in der Ukraine geklaut wird, als gäbe es kein Morgen mehr, ist nicht neu. Auch dass dabei die Hilfsgelder aus dem Westen geklaut werden, ist nicht neu. Und dass man das im Westen sehr genau weiß, ist auch nicht neu.
Ich erinnere daran, dass die russischen Prankster, die sich darauf spezialisiert haben, unter falschem Namen Politiker und andere Berühmtheiten anzurufen, 2023 mit EZB-Chefin Lagarde telefoniert haben. Lagarde dachte, sie würde mit Selensky sprechen. Das komplette Gespräch finden Sie hier.
In dem Gespräch erzählte „Selensky“ Lagarde, dass er zu Beginn seiner Präsidentschaft entdeckt habe, dass Poroschenko IWF-Kredite, die für die ukrainische Wirtschaft bestimmt waren, unterschlagen habe.
Lagarde war sichtlich nicht überrascht, hat das auch nicht bestritten, sondern durch ihre vollkommen gleichgültige Reaktion bestätigt, dass sie davon wusste, denn Lagarde sagte dazu nur:
„Sie wissen so gut wie ich, dass es sehr seltsame Charaktere gab, die die Situation missbrauchten, die ihre eigenen kleinen Armeen hatten, die ihr eigenes System hatten. Sie nutzten sicherlich aus, was sowohl der IWF als auch die USA versuchten, um der Ukraine zu helfen. Aber wissen Sie, die Geschichte kann nicht umgeschrieben werden. (…) Wurde es zu 100 Prozent perfekt umgesetzt? Nein, natürlich nicht.“
So hat EZB-Chefin Lagarde 2023 reagiert, als sie darauf hingewiesen wurde, dass nach dem Maidan Milliarden Dollar und Euro westlicher Hilfsgelder von der ukrainischen Regierung geklaut wurden. Es wurde eben nicht alles „zu 100 Prozent perfekt umgesetzt“, sagte sie. Oder mit anderen Worten: Dumm gelaufen, was sind schon ein paar Milliarden IWF-Gelder?
Im Westen weiß man also sehr genau, wie viel in der Ukraine geklaut wird und dass es die Regierung bis hoch zum ukrainischen Präsidenten ist, die die Gelder klaut.
Dazu hätte ich eine Frage, über jeder mal in Ruhe nachdenken kann: Wie wahrscheinlich ist es eigentlich, dass die Politiker des Westens seelenruhig zuschauen, während die ukrainische Regierung Milliarden an westlichen Hilfsgeldern klaut? Und wie wahrscheinlich ist es, dass gewisse Herrschaften im Westen ihren Teil davon abbekommen?
Oder noch deutlicher gefragt: Wie tief sind Spitzenvertreter des Westens eigentlich in den ukrainischen Korruptionssumpf verwickelt? Oder glaubt irgendjemand, dass die zuschauen, wie die westlichen Gelder geklaut werden, ohne selbst einen Teil abhaben zu wollen? Dabei rede ich gar nicht in erster Linie von westlichen Politikern, sondern vor allem von den westlichen NGOs, die von westlichen Oligarchen wie Soros gegründet wurden und die die heutige Ukraine lenken, indem sie beispielsweise „ihre Leute“ in die Aufsichtsräte ukrainischer Staatsbetriebe setzen.
Viele westliche Politiker bekommen ihre Krümel vom Kuchen, indem sie nach ihrer politischen Karriere „in die Wirtschaft gehen“ und dann rein zufällig bei den Konzernen oder Verbänden fürstlich bezahlte Jobs bekommen, die sie vorher als Politiker unterstützt haben.
Vorsorgliche Amnestie für Korruption?
Es gab inzwischen reichlich Meldungen darüber, dass in der ursprünglichen Version von Trumps Friedensplan für die Ukraine auch ein Punkt enthalten war, der die obligatorische Überprüfung westlicher Hilfsgelder vorsah, also die Überprüfung, wie viel wo von wen geklaut wurde. Laut den Meldungen wurde dieser Punkt auf Druck ukrainischer und europäischer (und wohl auch US-amerikanischer) Politiker gestrichen. Stattdessen heißt es nun in Punkt 26 der ursprünglichen Version von Trumps Friedensplan:
„Alle an diesem Konflikt beteiligten Parteien erhalten volle Amnestie.“
Man könnte meinen, dass nur für Kriegsverbrecher gilt, aber in dem Punkt geht es ausdrücklich um „alle an diesem Konflikt beteiligten Parteien“, womit natürlich auch die Geldgeber der Ukraine gemeint sind. So, wie das formuliert ist, wollen sich westliche Politiker und Wirtschaftsvertreter, die direkt (durch den Erhalt von Geldern) und indirekt (durch Wegsehen) an der Korruption in der Ukraine beteiligt sind, im Vorwege eine umfassende Amnestie sichern.
Es kam ganz und gar nicht überraschend
Der aktuelle Korruptionsskandal kam keineswegs überraschend, er hat sich vielmehr über ein halbes Jahr im Voraus angekündigt. Zum Verständnis muss man wissen, dass auch das NABU 2015/2016 unter dem damaligen US-Vizepräsidenten Biden gegründet wurde und von Beginn an unter der totalen Kontrolle der US-Botschaft in Kiew steht. Im NABU gibt es sogar einen „Verbindungsmann“ des FBI mit eigenem Büro, der dem NABU die Anweisungen aus Washington direkt übermittelt. Auch über das NABU habe ich in meinem Buch „Das Ukraine-Kartell“ sehr ausführlich berichtet.
Im Frühjahr 2025 wurde bekannt, dass das NABU Ermittlungen gegen Selenskys engstes Umfeld durchführt. Dabei ging es unter anderem um die Unterschlagung gigantischer Summen, die offiziell für den Bau von Verteidigungsanlagen vorgesehen waren, die aber nie (oder in für den Kampf untauglicher Qualität) gebaut wurden. Je näher diese Ermittlungen Selenskys Präsidialbüro kamen, desto nervöser wurde man dort.
Am 10. Mai führte das NABU mehrere Durchsuchungen bei hochrangigen Führern der ukrainischen Nationalgarde wegen Korruptionsverdachts durch. Ukrainische Medien berichteten unter Berufung auf Quellen in Strafverfolgungsbehörden, dass der Kommandeur der Nationalgarde möglicherweise Bestechungsgelder in Höhe von 190 Millionen Griwna (4,5 Millionen US-Dollar) angenommen habe.
Selenskys Präsidialverwaltung und der Selensky unterstellte Geheimdienst SBU protestierte gegen die Maßnahmen des NABU.
Ende Mai berichteten ukrainische Medien, dass Mitglieder aus dem inneren Kreis von Selensky beim Bau von Verteidigungsanlagen in Korruptionsskandale verwickelt seien. Schon im Frühjahr 2024 hatten Soldaten beklagt, die Verteidigungslinien in der Region Charkow seinen nicht gebaut worden und behaupteten, die für die Ausrüstung der Linien bereitgestellte Gelder seien veruntreut worden. Später stellte sich heraus, dass es in der Region Sumy ähnlich gewesen ist.
Ende Juli versuchte Selensky, das NABU in einer Blitzaktion per Gesetz unter seine Kontrolle zu bekommen, was im Westen heftige Kritik auslöste. Die EU drohte sogar, jedwede Unterstützung für die Ukraine einzustellen. Der EU war das NABU (als Kontrollinstrument der ukrainischen Politik) sogar wichtiger als der Krieg gegen Russland. Es gab in der Ukraine vom Westen orchestrierte Proteste und nach knapp einer Woche knickte Selensky ein und ließ das Gesetz zurücknehmen.
Danach gab es immer neue Meldungen über Korruption in der Ukraine, bis das NABU schließlich vor knapp zwei Wochen die Audiomitschnitte veröffentlichte, die den aktuellen Korruptionsskandal ans Licht gebracht haben.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Meldung aus dem August, denn am 21. August hat der (vom Westen kontrollierte) Aufsichtsrat den Vorstandsvorsitzenden von Energoatom ohne Angabe von Gründen und mit sofortiger Wirkung gefeuert. Heute muss man wohl davon ausgehen, dass hinter den Kulissen bereits bekannt wurde, woran das NABU arbeitete und dass man bei Energoatom schon mal mit den „Notmaßnahmen“ begann und den Gesamtverantwortlichen von Energoatom aus der Schusslinie nahm.
Solange Engeroatom keine Erklärung für die überraschende Kündigung liefert, ist das für mich die einzig schlüssige Erklärung, denn dass die Korruption in der Ukraine allen – auch im Westen, und auch im Aufsichtsrat von Energoatom – bekannt ist, ist offensichtlich.
Aufsichtsräte als Schutz vor Anklagen
In meinem Buch „Das Ukraine-Kartell“ ging es auch um den ukrainischen Gaskonzern Burisma, dessen Eigentümer Nikolaj Slotschewsky nach dem Maidan unter großem Druck stand, weil er zuvor Energieminister gewesen ist und seinem Konzern dabei die besten Förderlizenzen für Frackinggas in der Ukraine zugeschoben hat. Aber es gab noch weit mehr Vorwürfe, es ging um Korruption, Geldwäsche und so weiter.
Da mit dem Maidan de facto der US-geführte Westen die Macht in der Ukraine übernommen hatte, sicherte sich der ukrainische Oligarch Slotschewsky ab, indem er im Mai 2014 Persönlichkeiten aus dem Westen für Monatsgehälter von 50.000 Dollar in den Aufsichtsrat seiner Firma berief. Darunter waren: Hunter Biden, der Sohn des damaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden, der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski und Devon Archer, ehemaliger Wahlkampfmanager des damaligen US-Außenministers John Kerry. Archer war außerdem ein guter Freund von Christopher Heinz, dem Stiefsohn von John Kerry und Miteigentümer von Rosemont Seneca Partners, der Firma die Hunter Biden zusammen mit Christopher Heinz gegründet hatte. Und auch Devon Archer war dort Partner. Rosemont Seneca machte später immer wieder Schlagzeilen, weil Kontoauszüge belegten, dass gewaschene Gelder aus der Ukraine und China dort gelandet sind, aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls sicherte sich Slotschewsky mit der Ernennung dieser Aufsichtsräte den Schutz von Joe Biden und anderen westlichen Politikern und es kam nie zu Anklagen gegen Slotschewsky oder seine Firma, stattdessen wurden die Akten zu dem Fall schließlich vom NABU, der von Joe Biden für den Kampf gegen Korruption in der Ukraine gegründete Behörde, geschreddert.
Flamingo, Fire Point und Mike Pompeo
Das gleiche, also sich durch die Berufung von prominenten Westlern in den Aufsichtsrat vor Strafe zu schützen, scheinen auch die nun vom Korruptionsskandal Betroffenen zu versuchen. Timur Minditsch, der alte Freund und Geschäftspartner von Selensky, der im Zentrum des aktuellen Skandals steht und der unmittelbar vor seiner geplanten Verhaftung aus der Ukraine geflohen ist, ist auch Eigentümer der Firma Fire Point.
Im August hat Selensky großspurig verkündet, die Ukraine habe eine neue Wunderwaffe, die Langstreckenrakete Flamingo, entwickelt und beginne nun mit der Serienproduktion und schon bald werde sie massenhaft gegen Ziele tief in Russland eingesetzt.
Inzwischen sind Experten sicher, dass die Flamingo keine ukrainische Entwicklung ist, für die beträchtliche Mittel aus der (von der EU finanzierten) ukrainischen Staatskasse bereitgestellt wurden, sondern die von der britischen Milanion Group entwickelte Rakete FP-5. Oder zumindest eine recht exakte Kopie oder Lizenzversion davon.
Aber aus dem ukrainischen Haushalt, der nur dank der westlichen Finanzspritzen existiert, wurden hohe Summen für die angebliche Entwicklung der Flamingo abgezweigt, während nun klar ist, dass die Ukraine diese Rakete gar nicht entwickelt hat, sondern eine britische Entwicklung als “ukrainische Rakete” bezeichnet. Das wissen natürlich auch alle Experten im Westen, aber auch hier fragt kein westlicher Journalist, wohin die Gelder für die Entwicklung der Flamingo wirklich gegangen sind.
Offiziell wurde die Flamingo von der Firma Fire Point entwickelt, die auch den größten Teil der ukrainischen Drohnen produziert – natürlich ebenfalls bezahlt vom ukrainischen Staat, oder besser gesagt, mit den westlichen Hilfsgeldern.
Und wie es der Zufall will, ist Timur Minditsch der Eigentümer von Fire Point.
Fire Point war ursprünglich eine Castingagentur, die während Selenskys Zeit als Komiker und Schauspieler für Selensksys Produktionen Schauspieler für Film und Fernsehen vermittelt hat. Nun aber ist Fire Point einer der größten Auftragnehmer der ukrainischen Streitkräfte, denn im vergangenen Jahr hat das Unternehmen fast ein Drittel der im Staatshaushalt für Drohnen vorgesehenen Gelder bekommen, und sein Jahresumsatz stieg von 4 Millionen auf über 100 Millionen US-Dollar. So wurde die kleine Castingagentur von Selenskys Kumpel Minditsch zum wichtigsten Drohnenlieferanten des ukrainischen Militärs und sogar zum Entwickler der angeblich hochmodernen ukrainischen Rakete Flamingo.
Dass auch Minditsch und Selensky versuchen, sich mit der Ernennung westlicher Persönlichkeiten vor Strafe zu schützen, zeigt eine weitere, interessante Personalie: Am 15. November, also fünf Tage, nachdem der Korruptionsskandal vom NABU öffentlich gemacht wurde, hat Fire Point Mike Pompeo, der früher CIA-Chef und in Trumps erster Amtszeit US-Außenminister war, in den Aufsichtsrat berufen.
Wer noch?
Von all dem erfährt man in deutschen Medien natürlich kein Wort. In den deutschen „Qualitätsmedien“ werden keine kritischen Fragen gestellt, obwohl wir hier sehen, dass es eine ganze Menge Fragen gibt, die man stellen könnte.
Mehr noch: Ich habe in den letzten Tagen und Wochen bei vertraulichen Gesprächen, die ich während meiner Reisen im November mit diversen Leuten geführt habe, einige Informationen darüber bekommen, dass deutsche und europäische Politiker von den Vorgängen in der Ukraine offenbar finanziell profitiert haben. Dafür wurden mir bisher keine belastbaren und überprüfbaren Belege präsentiert, aber die Quellen, mit denen ich gesprochen habe, haben sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen.
Solange ich keine Belege für diese Behauptungen habe, werde ich natürlich weder Details noch Namen nennen.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden, wenn mir überprüfbare Belege vorgelegt werden sollten.
Autor: Anti-Spiegel
Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


