Zum Inhalt springen
Startseite » Beiträge » Im Fadenkreuz – Der Fall Jacques Baud

Im Fadenkreuz – Der Fall Jacques Baud

    Dürfen die denn das?

    Von Diana-Maria Stocker – 16. Dezember 2025.

    Netzfund: https://clubderklarenworte.de/im-fadenkreuz-der-fall-jacques-baud/

    Wenn sogar ein ehemaliger Schweizer Militär-Oberst von der EU sanktioniert wird durch ein Verfahren das politisch geprägt ist und rechtlich nur begrenzt transparent scheint. Dann fragen Sie sich – wie viele andere – zu Recht: Ja, dürfen denn die das? 

    Der 70-jährige Ex-Oberst, ehemaliger strategischer Analyst und Sachverständige für Geheimdienste wird ab sofort mit Einreiseverboten belegt, sein Vermögen in den EU-Ländern eingefroren. Zudem ist es verboten ihm finanzielle oder wirtschaftliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Was hat dieser Mensch konkret getan, dass der politische Apparat fast eines gesamten Kontinents nach ihm trachtet? Das verbirgt sich hinter folgendem Dokument:

    EU-Beschluss (GASP) 2025/2572 [1], veröffentlicht am 15. Dezember 2025 im Amtsblatt der Europäischen Union. Er erweitert die bestehende Sanktionsliste um zwölf natürliche Personen und zwei Organisationen, denen eine Beteiligung an sogenannten „destabilisierenden Aktivitäten Russlands“ zugeschrieben wird.

    Laut Dokument hat sich Jacques Baud folgendes zu Schulden kommen lassen:

    „Jacques Baud, ehemaliger Oberst der Schweizer Armee und strategischer Analyst, ist regelmäßig Gast in prorussischen Fernseh- und Radioprogrammen. Er fungiert als Sprachrohr für prorussische Propaganda und verbreitet Verschwörungstheorien, indem er beispielsweise die Ukraine bezichtigt, ihre eigene Invasion herbeigeführt zu haben, um der NATO beizutreten. Daher ist Jacques Baud für Handlungen oder politische Maßnahmen, die der Regierung der Russischen Föderation zuzurechnen sind und die die Stabilität oder die Sicherheit in einem Drittland (Ukraine) untergraben oder bedrohen, durch die Beteiligung am Einsatz von Informationsmanipulation und Einflussnahme verantwortlich, setzt diese um oder unterstützt sie.“

    Der inhaltliche Fokus des Beschlusses liegt also auf Vorwürfen wie Informationsmanipulation, Einflussnahme und der Unterstützung russischer Narrative im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Die zentrale Frage ist, ob dieser – wie auch frühere – Beschlüsse rechtens sind oder ob sie nicht vielmehr den Eindruck einer orwellianischen Zensurmaschine erwecken, die abweichende Stimmen unter dem Deckmantel der „Sicherheit“ mundtot macht, um ein einseitiges Narrativ zu schützen. Das verdient eine genauere Betrachtung.

    Wie kommt ein solcher Beschluss zustande?

    EU-Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beruhen auf Artikel 29 des Vertrags über die Europäische Union (EUV). Die Initiative geht regelmäßig von der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik aus (aktuell Kaja Kallas). Der Beschluss wird anschließend vom Rat der Europäischen Union, bestehend aus den Außenministern der 27 Mitgliedstaaten, einstimmig gefasst.

    Das Europäische Parlament ist in diesem Verfahren nicht mitentscheidungsbefugt; es wird gemäß Artikel 36 EUV lediglich unterrichtet und konsultiert, ohne Einfluss auf den Beschlussinhalt nehmen zu können. Das heißt: Es gibt de facto keine Legitimation durch demokratische Debatten von demokratisch gewählten Vertretern.  Öffentliche Anhörungen, kontradiktorische Verfahren oder gar eine vorherige Einbindung der Betroffenen sind nicht vorgesehen. Die Entscheidungsgrundlagen beruhen in der Praxis häufig auf vertraulichen Lageeinschätzungen, darunter auch nachrichtendienstliche Informationen von Mitgliedstaaten oder Partnern, die nicht veröffentlicht werden.

    Im konkreten Fall verweist der Beschluss auf eine Erklärung von Kaja Kallas vom 18. Juli 2025 zu „böswilligen Aktivitäten Russlands“ ohne spezifische Belege für die im Beschluss Gelisteten. Die Begründung der Listungen bleibt allgemein und abstrakt. Das Ganze tritt zudem sofort in Kraft, ohne Chance für die Betroffenen, sich zu verteidigen.

    Rein formal mag dies nach den bestehenden Richtlinien korrekt sein, jedoch wird hier ein strukturelles Problem sichtbar.  Da dieses Verfahren stark politisch geprägt ist und ohne öffentlich überprüfbare Beweise auskommt, entsteht die Gefahr, dass Menschen nicht wegen konkreter Taten, sondern wegen ihrer Nähe zu bestimmten Personen, Positionen oder Sichtweisen verantwortlich gemacht werden. Entscheidend ist dann weniger, was jemand tatsächlich getan hat, sondern wie seine Aussagen oder Einordnungen politisch interpretiert und in ein bestimmtes Narrativ eingeordnet werden.

    Aus Sicht des Unionsrechts bewegt sich der Beschluss also innerhalb der Kompetenzen der EU. Die GASP ist in Artikel 21 EUV ausdrücklich als Instrument zur Wahrung außenpolitischer Interessen vorgesehen. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in der Rechtsprechung bestätigt [2], dass restriktive Maßnahmen grundsätzlich zulässig sind, sofern sie notwendig, verhältnismäßig und begründet sind.

    Doch gleichzeitig sind auch GASP-Maßnahmen an die Grundrechte gebunden, insbesondere an die EU-Grundrechtecharta. Relevante Schutzgüter sind hier die Meinungsfreiheit (Artikel 11 GRCh), das Eigentumsrecht (Artikel 17 GRCh) sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 47 GRCh).

    Inhaltlich kollidiert der Beschluss zudem mit menschenrechtlichen Standards der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), an denen sich das Unionsrecht orientiert. Artikel 10 EMRK schützt ausdrücklich auch unbequeme, provokante oder vom Mainstream abweichende Meinungen. Einschränkungen sind nur zulässig, wenn sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und verhältnismäßig sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass Meinungsfreiheit gerade auch für solche Äußerungen gilt, die „beleidigen, schockieren oder beunruhigen“. Problematisch ist vor allem die begriffliche Unschärfe von „Informationsmanipulation“ und „Einflussnahme“. Ohne klar definierte Kriterien und öffentlich nachvollziehbare Tatsachengrundlagen besteht die reale Gefahr, dass politische Einschätzungen an die Stelle konkret nachweisbarer Gefahren treten.

    Weiterlesen: https://clubderklarenworte.de/im-fadenkreuz-der-fall-jacques-baud/

    Quellen: 

    [1] EU Amtsblatt BESCHLUSS (GASP) 2025/2572 DES RATES vom 15. Dezember 2025: https://clubderklarenworte.de/wpcontent/uploads/2025/12/15.12.25-EU-Amtsblatt151225.pdf

    [2] Vergleiche dazu Urteile Kadi und Rosneft

    Du interessierst dich fürs Thema. Nimm Kontakt zu uns auf.