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Das ukrainische Versailles

    Von Felix Feistel – 4. März 2025.

    Netzfund: https://apolut.net/das-ukrainische-versailles-von-felix-feistel/

    Wenn wir in Deutschland von Versailles sprechen, ist das mit einer ganzen Reihe politischer Implikationen verbunden. Denn der Vertrag von Versailles, den Deutschland nach dem ersten Weltkrieg mit den Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich geschlossen hat, ist auch heute, über einhundert Jahre danach, noch ein umkämpftes Thema. Mittlerweile ist anerkannt, dass dieser Vertrag die Bewegung des Nationalsozialismus groß gemacht und letztlich zur Macht verholfen hat. Diese griff den Vertrag in ihrer Propaganda als die „Schande von Versailles“ direkt an, und nutzte ihn zur Etablierung der Dolchstoßlegende, derzufolge Deutschland den Krieg nicht aufgrund militärischer Unterlegenheit verloren habe, sondern durch den Verrat von Sozialdemokraten und Kommunisten, und ja, letztlich auch der Juden. Auf dieser rhetorischen Welle konnten Hitler und seine Gefolgsleute bis an die Spitze des deutschen Staates reiten, und damit den zweiten Weltkrieg vom Zaun brechen. Damit gilt der Vertrag von Versailles als eine wichtige Ursache des zweiten Weltkrieges und der Vernichtung von Millionen von Juden, Slawen, Sozialdemokraten und Kommunisten.

    Die Rhetorik der „Schande von Versailles“ ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich ansieht, welche harten Bedingungen dieser Vertrag Deutschland aufzwang. Dazu zählte nicht nur die Entmilitarisierung des Rheinlandes, die Abtretung einiger Gebiete vor allem im Osten des ehemaligen deutschen Reiches und die strikte Begrenzung des deutschen Militärs auf maximal 100.000 Soldaten, sondern auch umfangreiche Reparationszahlungen, die sogar nie auf eine bestimmte Summe festgelegt wurden, sondern einer eigens dafür eingerichteten Kommission überlassen wurden, die unter Ausschluss Deutschlands eingerichtet wurde. Allerdings forderten die Alliierten zunächst 269 Milliarden Goldmark in 42 Jahresraten, also eine enorme Summe.

    Der Vertrag von Versailles sah also eine ökonomische und militärische Strangulation Deutschlands vor. Das erklärte Ziel war, dass Deutschland, dem die alleinige Kriegsschuld zugesprochen wurde, nie wieder in der Lage sein würde, einen großen Krieg zu beginnen. Allerdings erweckten die Bestimmungen des Vertrages in der deutschen Bevölkerung einen weit verbreiteten Revanchismus, der auf Rache an den Siegermächten sann. Dieser fand Anklang vor allem an den erstarkenden nationalistischen Bewegungen, zu einem großen Teil bestehend aus ehemaligen Soldaten, die als nationalistische Kampfverbände und Freischärler weiter agierten, und unter Anderem Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten – beauftragt und abgesegnet übrigens durch die SPD. Sie waren besonders empfänglich für die Dolchstoßlegende, da sie sich bei ihrem Einsatz an der Front – an die nicht wenige von ihnen mit großem Enthusiasmus freiwillig gezogen sind – durch die Heimatfront verraten fühlten.

    Der Vertrag von Versailles strangulierte also Deutschland militärisch und wirtschaftlich, demütigte die Bevölkerung und erweckte Nationalismus, der in den Nationalsozialismus überführt werden konnte. All das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn nun in Bezug auf die Verhandlungen zwischen dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Bezug auf die Ukraine von einem Vertrag die Rede ist, der manchen Stimmen zufolge schlimmer sei als Versailles. Das neue Abkommen, das Trump mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj schließen wollte, das aber bei dem Treffen im Weißen Haus am Freitag noch nicht geschlossen wurde, ist eine überarbeitete Version eines Entwurfes, den der ukrainische Präsident Selenskyj zunächst abgelehnt hatte. Denn dieser hatte eine Bestimmung enthalten, demzufolge die USA bis zu 500 Milliarden US-Dollar an Einnahmen aus dem Verkauf ukrainischer Rohstoffe erhalten hätten.

    Der neue Entwurf sieht stattdessen die Einrichtung eines Fonds vor, in den die Ukraine 50 Prozent ihrer Gewinne aus dem Rohstoffverkauf einzahlt, um aus diesem den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Der Fonds soll von den USA und der Ukraine gemeinsam geleitet werden, was eine nicht alleinige rechtliche Zuständigkeit der Ukraine nahelegt. Einige Stimmen äußerten gar, dass der Fonds vollständig der US-amerikanischen Jurisdiktion unterworfen werden soll, Streitigkeiten also vor US-amerikanischen Schiedsgerichten beigelegt werden sollen. Grund dafür ist, dass die USA langfristige Investitionsverpflichtungen für die Ukraine übernehmen. Von dem Abkommen betroffen sind nicht nur die sogenannten kritischen Mineralien, wie etwa Lithium, Nickel, Erdgas und Kohle, sondern auch die ukrainische Infrastruktur, etwa Häfen, sowie der Transport der Rohstoffe. Hier ist die Rede von „Investitionen“, was zunächst nach einem großen Geldfluss klingt. Allerdings sind Investitionen in der Welt des Kapitals stets mit der Erwartung von Renditen verbunden. Das wird auch in dem Abkommen so erwähnt, indem betont wird, dass es sich um kommerzielle Interessen handelt, die dort durchgesetzt werden. Im Gegenzug geben die USA der Ukraine nicht einmal wirkliche Sicherheitsgarantien, wie sie von Selenskyj gefordert werden, sondern ein vages Versprechen darauf, die Ukraine bei ihren diesbezüglichen Bemühungen zu unterstützen. Die USA sichern sich also langfristig den Zugriff auf die ukrainischen Mineralien und die Infrastruktur, die noch unter der Kontrolle Kiews stehen.

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