Von Marcus Klöckner – 29. November 2024.
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Stellvertreterkrieg – damit haben wir es in der Ukraine zu tun. Das zu leugnen, abzustreiten, zu verneinen, bedeutet, mit der Realität zu brechen. Mit einer Realität – wohlgemerkt! –, die so offensichtlich ist, wie es offensichtlicher gar nicht geht. Und dennoch: Bis heute weigern sich nahezu die gesamten deutschen „Qualitätsmedien“, den Stellvertreterkrieg als Stellvertreterkrieg zu bezeichnen. Dafür hat es nun der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson getan. Er hat „Stellvertreterkrieg“ gesagt. Die Bankrotterklärung des Journalismus ist offensichtlich.
„Kumpel, seien wir ehrlich… Wir führen einen Stellvertreterkrieg! Wir führen einen Stellvertreterkrieg, aber wir geben unseren Stellvertretern nicht die Möglichkeit, ihre Aufgabe zu erfüllen.“ Das sagte gerade Boris Johnson in einem langen Gespräch. Doch der Reihe nach.
Die Welt war noch nie so nahe am 3. Weltkrieg wie heute. Gerade in einer Situation wie dieser ist es von elementarer Bedeutung, die Realität korrekt zu erfassen. Die Wahrheit auszusprechen, kann eine Frage über Krieg und Frieden sein. Um den Krieg in der Ukraine zu verstehen, gilt es, die komplexen geostrategischen und tiefenpolitischen Zusammenhänge aller beteiligten Parteien zu begreifen. Richtig ist, dass Russland mit seinem Militär die Ukraine angegriffen hat. Doch zur Wahrheit gehört noch mehr. Jeder, der sich mit Propaganda auseinandersetzt, weiß: Propaganda besticht nicht nur durch Lügen. Sie ist auch durch Auslassungen und Verdrehungen geprägt. Die „Wahrheit“ der Propaganda mag mitunter zu 99 Prozent richtig sein – aber das eine Prozent, das verdreht, verfälscht, ausgelassen wird, macht das Gesagte nicht zur Wahrheit, sondern zur Propaganda.
Doch bei der Frage, wie der Krieg in der Ukraine einzuordnen ist, geht es nicht um eine geringfügige Realitätsverfälschung oder eine geringfügige Lüge. Es geht um einen eklatanten Bruch mit der Realität. Und das an der wohl für die Einordnung des Krieges entscheidenden Stelle. Die gesamte Politik von Deutschland, aber auch der NATO, steht und fällt mit der Frage, um was für einen Krieg es sich in der Ukraine handelt. Geht es bei diesem Krieg einzig und allein darum, dass es sich um einen, wie deutsche Medien unaufhörlich sagen, „Angriffskrieg“ handelt? Wenn ja, dann wäre ja eine vielfältige Unterstützung des Angegriffenen vielleicht sogar gerechtfertigt. Wenn nein, wenn es sich aber komplexerweise auch um einen Stellvertreterkrieg handelt, dann sieht die Situation anders aus.
In einem Stellvertreterkrieg nutzt mindestens eine Partei ein Land als eine Art Rammbock gegen ein anderes Land. Die Gründe für ein derartiges Vorgehen können vielfältig sein. Geostrategische, wirtschaftliche, militärische Gründe kommen da unter anderem in Betracht.
Es wäre naiv anzunehmen, dass die NATO die Ukraine nur deshalb unterstützt, weil hier ein angegriffenes Land Hilfe benötigt. Russland wurde über Jahrzehnte von den Falken als Feind des Westens gesehen. Und nach allem wie es aussieht, ist die Situation heute kaum anders. Durch den Kampf in der Ukraine können westliche Geostrategen Russland in einen Krieg verwickeln, der dem Land schadet. Die so offensichtliche Abwesenheit von Diplomatie spricht Bände.
Doch wehe, jemand wagt es in Deutschland, diese Perspektive zu veranschlagen; wehe, jemand spricht aus, was niemand sagen darf; wehe, jemand traut sich, das Teufelskind beim Namen zu nennen und Stellvertreterkrieg zu sagen. Dann bahnt sich eine Litanei an Beschimpfungen und unangebrachten Zuschreibungen ihren Weg. Putin-Versteher, Rubelnutte, Kreml-Propagandist usw. schallt es von den Rängen der Lordsiegelbewahrer unserer Zeit.
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