Von Tom-Oliver Regenauer – 27.09.2024.
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Die Finanzkrise 2008, ausgelöst von einer Immobilienblase, offenbarte, dass das Bretton-Woods-System am Ende ist. Ein Zombie. Doch der Kollaps blieb aus. Die »Protected Class«, die »systemrelevanten« Institutionen, waren noch nicht bereit dafür. Jetzt sind wir mit der um ein Vielfaches größeren »Everything Bubble« konfrontiert, einer allumfassenden Marktblase – und die Vorbereitungen für eine profitable Abwicklung des Weltfinanzsystems sind nahezu abgeschlossen. Der nächste Crash könnte daher nicht nur deutlich fataler, sondern auch der letzte sein. Das frei verfügbare Buch »Die große Enteignung« von David Rogers Webb erklärt, warum.
Erinnern sie sich noch an die Weltfinanzkrise 2008? Ausgelöst durch eine von Bankenkartellen kreierte Preisblase am US-Immobilienmarkt, die Schaffung von Schattenbanken, geschönte Kreditbewertungen, korrupte Ratingagenturen und Zahlungsausfälle bei Subprime-Krediten geriet das Weltfinanzsystem ins Wanken. Kern der Krise war der Umstand, dass Banken und Hypothekenmakler jahrelang Kredite in Milliardenhöhe an Verbraucher ohne jegliche Sicherheiten vergaben. In einem selbst für Finanzprofis intransparenten Verfahren wurden diese Kredite anschließend in sichere Wertpapiere umgewandelt – in »Collateralized Debt Obligations« (CDO), forderungsbesicherte Wertpapiere – und von US-Investmentbanken an Institutionen, Unternehmen und Privatanleger in aller Welt verkauft. So schlummerten die CDOs, von Börsianern gerne als »Giftmüll« bezeichnet, in den Portfolios der Kunden – bis die nicht solventen Schuldner ihre Raten nicht mehr bedienen konnten. Der Rest ist Geschichte.
Der Wert der ungedeckten Derivate und Finanzinstrumente umfasste 2008 circa das zwanzigfache des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Selbiges belief sich damals auf 64,21 Billionen US-Dollar. Gut 64.000 Milliarden. Sprich, es handelte sich um eine Blase von 1.280.000 Milliarden. Zur Verdeutlichung: Billionen, das sind diese langen Zahlenreihen mit zwölf Nullen.
Nach Berechnungen von Deborah J. Lucas, Direktorin des »MIT Golub Center for Finance and Policy«, beliefen sich die von der US-Regierung finanzierten Bail-outs für »systemrelevante Banken« in den Jahren 2008 bis 2009 auf eine Summe von 498 Milliarden US-Dollar. Auch die deutsche Regierung beschloss am 13. Oktober 2008 »das teuerste Gesetz der deutschen Geschichte« und spannte einen monetären Rettungsschirm im Wert von fast 500 Milliarden Euro. Beraten wurde Berlin dabei von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die primär für Großbanken tätig ist und dem Bundesfinanzministerium weitere 160.000 Euro in Rechnung stellte. Auch Frankreich, die Niederlande, Spanien und Österreich beschlossen damals milliardenschwere Rettungspakete für den Finanzsektor. Entsprechend rasant wuchs die Staatsverschuldung. Vor allem in den USA. Ihre wohlverdienten Boni erhielten die Top-Manager jener Finanzinstitute, »die sich gerade erst selbst in die Luft gejagt hatten«, wie die New York Times es ausdrückte, aber natürlich trotzdem. Dem Steuerzahler sei Dank.
Das Zentralbankenkartell sah die Krise der Geschäftsbanken selbstredend als Chance. Als Chance auf mehr Macht. Auf mehr überstaatliche Kontrolle. Demzufolge gründete es im Rahmen des G20-Gipfels 2009 das »Financial Stability Board« (FSB), das seinen Sitz bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hat und wohl eines der mächtigsten Finanzgremien der Welt darstellt. Siehe die Liste der FSB-Mitglieder.
Als sich Anfang 2010 abzeichnete, dass Griechenland die Zahlungsunfähigkeit droht, nutzten die führenden Akteure des überstaatlichen Großkapitals auch diese Chance, um ihren Einfluss auf nationale Finanzmärkte und -institutionen massiv auszuweiten. Sie riefen den Euro-Rettungsschirm ins Leben, der aus ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), EFSM (Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus) und EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) besteht. Auch die Diskussion um eine Vergemeinschaftung von Schulden in der Eurozone flammte seinerzeit wieder auf. Eingeführt wurde sie damals nicht. Obwohl der SPIEGEL noch 2014 vehement dafür plädierte. Ersatzweise kamen dafür 2020 die Corona-Bonds, also EU-Staatsanleihen, für die EU-Staaten gesamtschuldnerisch Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen. So wurde denn auch die letzte große Krise »kreativ genutzt«.
Ein in Konkurswellen wiederkehrendes Szenario. Schon die erste US-Zentralbank, deren private Eigner zu 80 Prozent aus Großbritannien stammten, musste 1792 durch einen Bail-out gerettet werden. Und kaum ist das marode Fundament des von Gier zerfressenen Elfenbeinturms der Finanzmacht wieder halbwegs gekittet, machen die Verursacher der Krise da weiter, wo sie aufgehört haben – und legen noch eine Schippe drauf. Der Wall-Street-Crash von 1929, die Große Depression von 1929 bis 1942, die Rezession der frühen 80er, die Dot-com Bubble, oder die Immobilien-Blase 2007/2008 – immer sind es die Profiteure des zügellosen Kasino-Kapitalismus, die den Finanzmarkt zuerst an den Rand des Kollaps spekulieren, um diesen dann vom Staat, beziehungsweise vom Steuerzahler abwenden zu lassen und sich im Zuge der Rettungsaktionen noch schamlos zu bereichern. Allein zwischen 1970 und 2007 wurden 124 Bankenkrisen, 326 Währungskrisen und 64 Staatsverschuldungskrisen auf nationaler Ebene gezählt. Und keine davon brachte die mafiös operierenden Bankenkartelle, oder ihre Handlanger im Staatsapparat zur Räson. Au contraire.
So haben wir es nach Ansicht diverser Analysten mittlerweile mit der »größten Blase aller Zeiten« zu tun. Die Finanzmarktzeitschrift Capital warnte schon am 30. März 2019 davor, dass die kumulierten weltweiten Schulden des Vorjahres mit 184 Billionen US-Dollar zu Buche schlugen – während das globale BIP für diesen Zeitraum bei nur 86,25 Billionen US-Dollar lag. Dann kam Corona. Die Staatsverschuldung explodierte abermals. 80 Prozent aller heute zirkulierenden US-Dollars wurden zwischen Januar 2020 und Oktober 2021 geschöpft. In einem Monat wurde mehr Geld »gedruckt« als zuvor in zwei Jahrhunderten. Deutschland ist Ende 2023 mit knapp 2.500 Milliarden Euro verschuldet. Nähme der deutsche Staat keine neuen Kredite auf und tilgte jeden Monat eine Milliarde, wäre dieser Schuldenberg erst 2232 abgetragen. Die USA müssten im gleichen Modus Operandi bis ins Jahr 2450 zahlen, um ihre Staatsverschuldung abzubauen. Eine Illusion. Diese Schulden existieren nicht, um getilgt zu werden, sondern um Länder in Schuldknechtschaft zu halten.
Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn die »Everything Bubble«, die »Alles-Blase«, hat weitaus bedrohlichere Ausmaße als die kumulierten Schulden von Staaten, Wirtschaft und Privathaushalten angenommen. Es handelt sich um eine Finanzblase, die den Immobilien-, Aktien-, Versicherungs-, Renten- und Derivate-Markt umfasst. Allein der Derivate-Komplex der Blase beläuft sich aktuell auf das zehnfache des globalen BIP – das 2023 bei 104,79 Billionen US-Dollar lag – also auf knapp 1.048 Billionen Dollar. Über eine Billiarde an undurchsichtigem, toxischem »Giftmüll«. Hinzu kommen ein exorbitant überhitzter Aktienmarkt, Kreditkarten- und Leasing-Blasen sowie ein aufgeblähter Krypto-Markt, dem kein Realwert gegenübersteht. Eine »allumfassende Marktblase«, nennt es der Ex-Hedgefonds-Manager und Finanzmarktspezialist David Rogers Webb in seinem 2023 veröffentlichten Buch »Die große Enteignung« – dem vielleicht wichtigsten Buch dieser Tage.
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