Von Dagmar Henn – 7. März 2025.
Netzfund: https://freedert.online/meinung/238830-deutsche-presse-tief-im-schuetzengraben/
Immer, wenn man meint, tiefer sinken geht nicht mehr, geht es noch ein Stockwerk nach unten. Inzwischen ist man schon fast wieder in den rhetorischen Abgründen des ersten Weltkriegs angelangt. Ein Rausch nahe an wilhelminischer Überheblichkeit.
„Krieg ist zuerst die Hoffnung, dass es einem besser gehen wird, hierauf die Erwartung, dass es dem andern schlechter gehen wird, dann die Genugtuung, dass es dem andern auch nicht besser geht, und hernach die Überraschung, dass es beiden schlechter geht.“
Karl Kraus
Es war schon das ganze letzte Jahrzehnt so, als hätten die Schreiber der deutschen Journaille mit Sicherheit nie Erich Maria Remarque gelesen, aber in den letzten Tagen wirken sie so, als hätte man sie mit täglichen Lesungen von Ernst Jüngers „Stahlgewitter“ herangezogen. Sie nähern sich einer Sprache, die bis tief in den Wortschatz hinein militarisiert ist. Wenn die FAZ einen Kommentar zu den wahnwitzigen Rüstungsplänen der künftigen MicroKo (Große Koalition kann man das ja nicht mehr nennen) mit dem Titel „Deutschland ist zurück aus dem Fronturlaub“ versieht, reiht sich das willig ein hinter Pickelhaube und Stahlhelm, als hätte sich die Welt nichts sehnlicher gewünscht als eine Rückkehr des deutschen Militarismus.
Das hat selbst mit der Bundesrepublik, in der ich einmal aufgewachsen bin, nichts mehr zu tun. Trotz der unzähligen Kalten Krieger wurde damals noch von einer durchaus relevanten Gruppe der Bevölkerung (darunter auch große Teile der Gewerkschaften) schon der Kommentar eines Fußballspiels mit Misstrauen betrachtet, wenn er zu sehr an Frontberichterstattung erinnerte. Das wirklich Abscheuliche allerdings kann man heute beobachten: Frontberichterstattung, als ginge es um ein Fußballspiel.
Dabei konnte man am 20. Januar drei Kreuze machen, dass man die Ära Joe Biden überlebt hatte. Das war mehr als einmal reichlich knapp. Aber Presse und Politik in Westeuropa benahmen sich weitgehend so, als hätte man ihnen mit dem jederzeit möglichen Untergang ihr liebstes Spielzeug weggenommen, das man jetzt unbedingt wieder zurückhaben will. Vielleicht ist ihr Leben ja so unsäglich langweilig.
Es ist schon verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit jetzt das Thema einer deutschen Atombombe auftaucht. „Braucht Deutschland jetzt eine Atombombe?“, fragt der Spiegel und spielt dann Varianten durch, mit Frankreich oder Großbritannien, oder eben mit einem eigenen deutschen Modell … Aber in diesem Text steht nichts mehr vom Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem auf eine solche Bewaffnung ebenso verzichtet wurde wie auf biologische und chemische Waffen. Scheint egal zu sein, schließlich gab es ja auch schon diese Biolabore in der Ukraine, die im Auftrag der Bundeswehr forschten …
Ja, es gab immer wieder Anläufe zu dieser deutschen Atombombe. Den ersten übrigens noch während des Zweiten Weltkriegs, immerhin waren die führenden Atomphysiker damals Deutsche, die Raketenwissenschaftler auch. Wenigstens an diesem Punkt könnte man heutzutage entspannt sein. Das damalige Deutschland war ein wissenschaftlicher Gigant. Das heutige? Alles hat eben seine Vor- und Nachteile.
„Rein technisch gäbe es wohl keine unüberwindlichen Hürden, die einem deutschen Atomwaffenprogramm entgegenstünden. Selbst Ländern wie Nordkorea und Iran ist das gelungen, auch wenn sie bei Weitem nicht über dieselbe industrielle Basis verfügen und nicht einmal annähernd so viel Erfahrung mit kerntechnischen Anlagen haben. Das dafür notwendige Wissen ist in Deutschland trotz des Atomausstiegs noch vorhanden.“
Weiterlesen: https://freedert.online/meinung/238830-deutsche-presse-tief-im-schuetzengraben/