Von Rainer Balcerowiak – 24. Februar 2025.
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Das BSW hat den Einzug den Bundestag knapp verpasst. Wie konnte das passieren? Schließlich hatte die noch sehr junge Partei – die Gründung erfolgte am 8. Januar 2024 – einiges vorzuweisen. Mit der Gründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht stand eine Politikerin an der Spitze, die weit über die klassischen linken Milieus hinaus Anerkennung und Unterstützung erfuhr, wie entsprechende Rankings in steter Regelmäßigkeit zeigten. Mit ihrem „Markenkern“ – der eindeutigen Positionierung gegen die weitere Befeuerung des Kriegs in der Ukraine und der Einforderung diplomatischer Initiativen sowie Ablehnung weiterer Aufrüstung – besetzte das BSW eine Repräsentationslücke im deutschen Parteiengefüge, da diese Positionen von relevanten Teilen der Bevölkerung unterstützt werden.
Das gilt auch für die von Anfang an vertretene Forderung nach einer strengen Regulierung der Migration sowie die – anfangs recht schwammige – Formulierung sozialer Grundforderungen in Bereichen wie Rente, Bildung, Wohnen und Lohnniveau. Dazu kamen Festlegungen auf eine mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik, die Forderung nach umfangreicher Aufarbeitung der Corona-Politik und für eine Klimaschutzpolitik, die soziale und wirtschaftliche Fragen nicht ausklammert, sondern in den Mittelpunkt stellt.
Organisatorisch erfolgte der Aufbau des BSW nach dem Prinzip einer Kaderpartei. Die Mitgliederaufnahme erfolgte – aus guten Gründen – äußerst restriktiv und streng hierarchisch organisiert. Alle diesbezüglichen Entscheidungen lagen in der Hand des inneren Führungszirkels auf Bundesebene. Das erschwerte den möglichst schnellen Aufbau einer flächendeckenden Präsenz und entsprechender Strukturen stark. Etliche tausend beitrittswillige Unterstützer wurden in eine Art Warteschleife gesteckt, viele auch direkt abgelehnt.
Dennoch gelang es der neuen Partei recht schnell, sich im Bewusstsein vieler Menschen als neue, relevante politische Kraft zu etablieren. Auch die mediale Präsenz war enorm, wobei die Konstituierung der zehn aus der alten Linksfraktion ausgetretenen Bundestagsabgeordneten als parlamentarische Gruppe BSW im Bundestag eine wichtige Rolle spielte. Alles blieb allerdings, auch bei der medialen Rezeption, auf Sahra Wagenknecht fixiert, die in der Doppelfunktion als Fraktions- und Parteivorsitzende agierte. Außer ihr wurde lediglich die Ko-Vorsitzende Amira Mohammed Ali als „Gesicht“ der Partei in relevantem Umfang kenntlich.
Erfolgreiche Testläufe bei EU-Wahlen und in drei Bundesländern
Erster großer Testlauf der neuen Partei sollte die Wahl zum EU-Parlament am 8. Juni 2024 sein. Für die wurde mit Fabio de Masi ein weiteres Schwergewicht gewonnen und als Spitzenkandidat ins Rennen geschickt. Denn auch de Masi hatte sich in seiner Rolle als Korruptionsbekämpfer – vor allem in Sachen Cum-Ex-Betrug und Wirecard – Bekanntheit und Anerkennung weit über die üblichen „Blasen“ hinaus erarbeitet.
Der Testlauf wurde trotz erheblicher organisatorischer Defizite – zu diesem Zeitpunkt hatte die Partei nur 650 Mitglieder und vier Landesverbände – mit Bravour bewältigt. Quasi aus dem Stand erreichte das BSW bei den EU-Wahlen 6,2 Prozent der Stimmen und somit sechs Sitze im EU-Parlament. Die LINKE erreichte lediglich 2,7 Prozent und drei Sitze. Dabei hatte man sich dort mit der Spitzenkandidatin Carola Rackete als bekannter Seenotretterin und Klimaaktivistin die Erschließung ganz neuer Wählerschichten versprochen. Ein fataler Fehlgriff, denn wenig später positionierte sich Rackete bei einer ihrer ersten Abstimmungen im EU-Parlament als Unterstützerin der schnellen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine.
Die nächste große Herausforderung für das BSW waren die für September 2024 angesetzten Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die am 1. und am 22. September 2024 stattfanden. Unter hohem Zeitdruck mussten Landesverbände gegründet und Wahllisten aufgestellt werden. Trotz der weiterhin bestehenden Defizite – der Landesverband Brandenburg hatte gerade mal 36 Mitglieder – konnte die Partei den im Osten besonders stark verbreiteten Überdruss gegenüber den „Altparteien“ (inklusive der Linken) für einen äußerst erfolgreichen Wahlkampf nutzen, bei dem die Kriegsfrage eine zentrale Rolle spielte. In Thüringen erreichte sie 15,8 Prozent, in Brandenburg 13,5 Prozent und in Sachsen 11,8 Prozent.
In allen drei Ländern wurde das BSW die jeweils drittstärkste Partei, und in allen drei Ländern kam es schnell zu Sondierungen und später Verhandlungen über die Bildung von Koalitionsregierungen – mit unterschiedlichen Verläufen und Ergebnissen. In Brandenburg recht geräuschlos und erfolgreich mit der SPD, in Sachsen scheiterten die Verhandlungen vor allem aufgrund des vom BSW in allen Ländern eingeforderten Bekenntnisses künftiger Landesregierungen zu diplomatischen Lösungen im Ukraine-Krieg, und in Thüringen gab es erstmals einen handfesten Krach zwischen der BSW-Bundesspitze und einem Landesverband, dessen Frontfrau Katja Wolf offenbar bereit war, auf eine entsprechende Präambel in einem Koalitionsvertrag mit CDU und SPD zu verzichten, um eine gemeinsame Regierungsbildung zu ermöglichen. Zeitweilig wurde dem Landesverband sogar mit dessen Auflösung gedroht. Doch irgendwie hat man diese Kuh dann vom Eis bekommen und einen für alle beteiligten Seiten einigermaßen gesichtswahrenden Kompromiss gezimmert, und so ist auch diese Koalition inzwischen im Amt.
Nun wollte sich das BSW auf die eigentlich zentrale Herausforderung konzentrieren: die für September 2025 angesetzten Bundestagswahlen. Vom Scheitern der Ampel-Regierung und der Ansetzung vorgezogener Neuwahlen für den 23. Februar wurde die Partei dann kalt erwischt. Fast noch gravierender war allerdings, dass sich auch die politische Großwetterlage deutlich verschoben hatte. Der wichtigste Markenkern des BSW (Krieg und Aufrüstung) rückte medial und damit auch in der Prioritätenliste der meisten Wähler deutlich in den Hintergrund, während er bei den EU-Wahlen und den ostdeutschen Landtagswahlen noch eine große Rolle spielte. Man schaffte es nicht, dieses Thema vor allem außerparlamentarisch konsequent und über die eigene Blase hinaus öffentlich präsent zu halten.
Migration als beherrschendes Wahlkampfthema
Stattdessen sorgte eine ganze Kette von monströsen Gewalttaten, die von teilweise ausreisepflichtigen oder nur geduldeten Flüchtlingen begangen wurden, dafür, dass das Thema Migration bzw. deren deutliche Begrenzung zum alles beherrschenden Thema wurde. Befeuert wurde dieser Diskurs vor allem von der beständig stärker werdenden AfD, die die anderen Parteien dabei genüsslich vor sich hertreiben konnte, was dazu führte, dass diese zunehmend auf alte Forderungen der AfD, etwa Zurückweisungen an Grenzen, mehr und schnellere Abschiebungen auch in Länder wie Syrien und Afghanistan, Absenkung der Versorgungsleistungen für Flüchtlinge u.a.m., eingingen. Ein Kurs, den auch das BSW verfolgte.
Allerdings gibt es für das BSW beim Thema Migration wohl keinen Blumentopf zu gewinnen. Verfechter eines richtig harten Kurses wählen da erfahrungsgemäß eher das Original als die Kopie. Und das merkwürdige Agieren im Bundestag bei den Abstimmungen über zwei von der AfD unterstützte Entschließungsanträge und einen Gesetzesentwurf der CDU hat dem BSW extrem geschadet und war zudem vollkommen überflüssig. Wagenknecht selbst hatte ja in ihrer Debattenrede zu diesen Anträgen dargelegt, dass das Ganze eine Propagandashow sei, weil weder die vorgelegten Entschließungsanträge noch der Gesetzesentwurf absehbar in konkrete Politik umgesetzt werden könnten. Folgerichtig wäre dann gewesen, als BSW-Gruppe an der Abstimmung nicht teilzunehmen und dennoch deutlich zu machen, dass man für eine schärfere Regulierung der Migration eintritt. Stattdessen hat man dem Gesetzentwurf – zusammen mit der AfD – zugestimmt, und bei den beiden Entschließungen ein Mal mit Nein gestimmt und sich ein Mal enthalten. Was vermutlich niemand außer die Konstrukteure dieser „Strategie“ verstanden hat.
Es war erwartbar, dass dieses Bundestagsspektakel zu einem kräftigen Revival „antifaschistischer“ Großdemonstrationen führen wird, auf denen vor allem die Gefahr einer mit „Faschisten“ kooperierenden CDU beschworen und das BSW auch entsprechend angeschossen würde. Und genau auf dieser Welle des gefühligen, weitgehend unpolitischen „Antifaschismus“, konnte die LINKE in der Schlussphase des Wahlkampfes wunderbar mitreiten, der Schulterschluss mit Anhängern der Kriegstreiberparteien SPD und Grüne war dabei kein Problem, da die LINKE in der Kriegsfrage recht indifferent blieb. Darauf war das BSW offensichtlich nicht vorbereitet. Das verwundert, denn das hätte man aus der „Aufstehen“-Zeit und der riesigen „Unteilbar“-Demo samt danach einsetzenden Kampagnen gegen „Aufstehen“ eigentlich lernen können.
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