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Kanonen statt Butter

    Von Hanns Graaf – 31.03.2025.

    Erstveröffentlichung: https://aufruhrgebiet.de/

    Als am 18. März vom deutschen Bundestag das Eine-Billion-Schuldenpaket beschlossen wurde, war den Abgeordneten wahrscheinlich nicht bewusst, dass an diesem Tag die Märzrevolution von 1848 in Berlin ihren Höhepunkt erreicht hatte. Die Berliner bauten Barrikaden und stellten sich den Truppen des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. entgegen. Heute, im März 2024, erleben wir keine Revolution, sondern einen massiven Angriff der Reaktion.

    Das unrühmliche Ende der Ampel, die Stagnation der Wirtschaft, die anhaltende Inflation und die  Erosion sozialer Errungenschaften, die marode Infrastruktur, ungelöste Probleme im Gesundheitsbereich und in der Bildung sowie Milliardenkosten für die Massenmigration und den Ukrainekrieg verweisen auf eine tiefe gesellschaftliche Krise des deutschen Imperialismus und auch der EU, deren Hauptmacht Deutschland ist. Die EU war einst angetreten, ein gleichwertiger imperialer Player neben den USA zu werden. Stattdessen ist Europa immer weiter gegenüber den USA und China zurückgefallen. Die Schuld an dieser – aus Sicht des europäischen und des deutschen Kapitals – Negativentwicklung tragen in starkem Maße die vier Merkel-Regierungen, während die Ampel den Scherbenhaufen nur noch vergrößert hat.

    Demokratisches Absurdistan

    Die nach der Wahl begonnene Formierung der neuen Regierung und der Beschluss des Schuldenpaketes offenbart, was bürgerliche Demokratie wirklich ist: nichts als eine bunte Fassade, hinter die eigentliche Machtpolitik stattfindet. Nein, die Macht geht nicht vom Volke aus und das Einwerfen eines Wahlzettels in einen Kasten hat nichts mit Macht zu tun.

    Die Ampel wurde abgewählt, ihre Parteien, v.a. die SPD und die FDP, scheiterten krachend: die FDP flog aus dem Bundestag, die SPD fuhr mit blamablen 16% ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Profitieren konnte davon die Union, obwohl ihr Ergebnis nicht berauschend war und zudem v.a. durch das gute Ergebnis der CSU erreicht wurde. Dabei stützen sich Union und SPD in starkem Maße auf die Stimmen der Rentner. Deren großes und zunehmendes Gewicht bei Wahlen stellt zweifellos eine Absurdität der „Demokratie“ dar, die v.a. den etablierten Parteien nutzt. Die großen Gewinner der Bundestagswahl waren die AfD und die LINKE und trotz ihres äußerst knappen Scheiterns auch das BSW. AfD, LINKE und BSW aber stehen – mehr oder weniger – gegen die westliche Ukraine-Politik. Die konsequenteste Opposition aber ist die AfD, die in etlichen wichtigen Fragen (Ukraine, Klima, Energiewende, Migration) wirklich eine alternative Politik vertritt, während die LINKE und das BSW eher für politische „Modifizierungen“ eintreten. Allerdings ist die AfD trotz besserer Positionen in einigen Fragen eine bürgerliche Partei, die auch viele nationalistische, rechte und völkische Ideen vertritt und deshalb weder bei Wahlen noch sonst unterstützt werden kann.

    Was gerade passiert, ist eine Farce von Demokratie. Das von Union und SPD auf den Weg gebrachte und von den Grünen unterstützte Schuldenpaket stellt fraglos eine strategische Weichenstellung dar, die für Jahre das Land und Europa prägen wird. Trotzdem sollte darüber noch der abgewählte Bundestag entscheiden, nicht der neue, weil dann die nötige Zweidrittel-Mehrheit gefährdet wäre. Der Wählerwille wurde damit so grob missachtet wie nie zuvor in der BRD. Das betrifft auch den Inhalt. Vor der Wahl tönte Merz noch, keine neuen Schulden aufnehmen zu wollen, den Atomausstieg rückgängig zu machen und die Klimapolitik zumindest „technologieoffen“ zu gestalten. Doch kaum sind die Wahlurnen weggeräumt, praktiziert er genau das Gegenteil davon und übernimmt weitgehend die Politik von SPD und Grünen: 1.000 Milliarden Neuverschuldung, Beibehaltung des Atomausstiegs, 100 Mrd. für den Klimaschutz und „Klimaneutralität“ (was immer das genau bedeutet) bis 2045. Nach der rot/grün/gelben Ampel gibt es nun die schwarz/rote Ampel. Hätten die Wähler das vor der Wahl gewusst, hätten sie anders gewählt – noch mehr AfD, LINKE (und BSW?). Das zeigen auch die Umfragen nach Merz´ Kurswechsel: Union und SPD verlieren massiv.

    Neue Brücken für neue Panzer

    „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“, verkündete SPD-Kriegsminister Pistorius. Die gigantische Neuverschuldung soll einerseits der Sanierung der Infrastruktur dienen, zum anderen der Aufrüstung der Bundeswehr. Natürlich muss auch dieses „geschenkte Geld“ zurückgezahlt werden – von den kommenden Generationen und in Form immer größerer Zins- und Tilgungszahlungen aus den staatlichen Haushalten, denen dann das Geld für andere Aufgaben fehlt. Das weiß auch Merz, weshalb er jetzt schon angekündigt hat, dass deshalb auch gespart werden müsse.

    Die gewaltige Neuverschuldung wird die dümpelnde Wirtschaft wieder ankurbeln – vermuten zumindest die Analysten. Bei der Sanierung der Infrastruktur ist sicher viel Geld nötig, ganz anders sieht es jedoch bei den Rüstungsausgaben aus. Hier wird eine russische Bedrohung an die Wand gemalt, der man begegnen müsse. Das ist aber nur ein Popanz, der die eigene Aufrüstung begründen soll. Nach 1990 ist der Warschauer Pakt zerfallen und Russland ist durch das Ausscheiden verschiedener Ex-Sowjetrepubliken kleiner geworden. Die militärischen, wirtschaftlichen und personellen Ressourcen Russlands sind gegenüber denen der NATO – selbst ohne die USA – deutlich schwächer. Russlands Rüstungsausgaben betrugen 2023 rund 110 Mrd. Dollar, die der europäischen NATO-Staaten – also ohne die USA – ca. 480 Milliarden. Ein russischer Angriff auf die NATO wäre reiner Selbstmord! Der Ukrainekrieg zeigt, wie schwer es Russland fällt, sich dort durchzusetzen. Ein drohender Angriff Russlands auf die durch den Beitritt osteuropäischer Länder sowie Schwedens und Finnlands vergrößerte NATO ist also nichts als Propaganda.

    Die forcierte Aufrüstung dient jedoch nicht nur der militärischen Drohung gegenüber Russland, sie ist zugleich auch ein Konjunkturprogramm. Dem gleichen Zweck dienen auch die 100 Mrd. für den Klimaschutz und die Energiewende. De facto führt Merz damit die Politik der alten Ampel-Regierung weiter, obwohl er dort eine Kurskorrektur, wenn auch keine Kehrtwende versprochen hatte. Hier zeigt sich erneut auch die Rolle der Grünen als Zünglein an der Waage. Mit ihrem Ja zum Schuldenpaket haben die Grünen ihre historische Verwandlung beendet: vom Pazifismus und der NATO-Kritik zur offen militaristischen Partei, vom Kapitalismus im grünen Gewand zum Imperialismus im Tarnanzug. Die Zugeständnisse beim Klimaschutz konnten die Grünen Merz abringen, weil ohne sie das Schuldenpaket nicht durch den Bundestag gegangen und damit evtl. sogar die neue Regierung gescheitert wäre.

    Merz, Klingbeil und die Grünen stellen die Sache so dar, dass die Lösung bestimmter Probleme ohne neue Schulden nicht möglich wäre. Doch das ist eine glatte Lüge! Allein die immensen Ausgaben für unsinnige und schädliche Projekte wie Aufrüstung, Ukrainekrieg, Massenmigration, Energiewende, Bürokratie usw. umfassen mehrere hundert Milliarden, die für andere Aufgaben genutzt werden könnten.

    Meinungs“bildung“

    Trotz der Einbußen für die Ampel-Parteien bei der Wahl hat die große Mehrheit der Wähler ihre Stimme Parteien gegeben, die für Rüstung, Ukraine-Unterstützung und Klimaklamauk stehen. Warum ist das so? Eine Grund dafür, dass eine klare Mehrheit diese Politik unterstützt, ist die massive Propaganda, durch die uns Politik, Medien, die „Wissenschaft“ usw. schon seit vielen Jahren ein falsches Bild der Realität vermitteln, z.B. zu den Ursachen des Ukrainekriegs, zur Energiewende oder zu Corona. Zuletzt war es die Kampagne gegen Rechts (sprich gegen die AfD), die vor einer völlig überzogenen Bedrohung durch den Faschismus warnte – um von den tatsächlichen Schandtaten der Ampel-Regierung abzulenken.

    Der andere Grund für die Gefolgschaftstreue der Bevölkerungsmehrheit ist die fatale Rolle der Linken und der Arbeiterbewegung, v.a. der Gewerkschaftsführungen. Sie haben fast alle die bürgerlichen Ideologien und Projekte seit Jahrzehnten mitgetragen: die Klima-Angst, die Corona-Hysterie, die Atomphobie, die Werte-basierte-Außenpolitik usw. Auch die „antikapitalistische Linke“ schwamm auf diesen Wellen mit. Es ist eine große Tragik, dass es rechten Kräften wie der AfD durch den Ausfall einer linken Alternative möglich war, den Raum der Kritik zu besetzen. Es waren auch und gerade die „Linken“, die jede sachliche Diskussion und jede Gegenmeinung als „rechts“ oder „verschwörungstheoretisch“ verunglimpft haben. Selbst im Nachhinein weigern sie sich, eine Bilanz ihrer oft absurden Politik, z.B. in Sachen Corona, zu ziehen.

    Die Illusion, dass der Staat ein Subjekt ist, das Gutes bewirken will und kann, wurde auch vom Gros der „radikalen“ Linken genährt. Der Staat solle sich um das Soziale, die Kultur, die Bildung, das Wohnen usw. kümmern. Von Selbstverwaltungsstrukturen gegen Staat und Kapital hingegen ist bei ihnen fast nie die Rede und wenn, dann in Form von „demokratischer“ oder „Arbeiterkontrolle“ über die Verstaatlichung. Diese unzureichende – und unmarxistische Haltung – verstärkt das Vertrauen in den bürgerlichen Staat, in die „öffentlich-rechtlichen“ Medien, den Parlamentarismus usw. So ist es kein Wunder, dass es immer eine große Bevölkerungsmehrheit für die Ideologie und die Kampagnen der Herrschenden gibt und wenig Opposition.

    Sogar in der Friedensfrage, einem Kernthema der Linken, versagte sie: die Linkspartei nahm zum Ukrainekrieg eine – gelinde gesagt – sehr inkonsequente Haltung ein, das BSW hatte zwar eine bessere Position, mobilisierte aber kaum (im Sinne des Aufbaus von Mobilisierungsstrukturen an der Basis), die „radikale Linke“ schwankte insgesamt zwischen Solidarität mit dem reaktionären Kiewer Regime und einem rein abstrakten Anti-Imperialismus. Wir wollen hier daran erinnern, dass es zuerst Pegida war, das darauf hinwies, dass die deutsche Ukrainepolitik unter Merkel zum Krieg führen wird und die „Lügenmedien“ diesen Kurs unterstützen. Und es ist die AfD, die trotz ihrer Zustimmung zur NATO und zur Aufrüstung eine im Vergleich zur LINKEN und selbst zum BSW eine bessere und konsistentere Position zum Ukrainekonflikt hat. Das kann man auch von der BASIS-Partei sagen. Angesichts der Schwäche der Linken ist es kein Wunder, dass die Menschen mehrheitlich der offiziellen Propaganda auf den Leim gehen.

    Zeitenwende

    Als SPD-Kanzler Scholz von der „Zeitenwende“ sprach, drückte er damit auf seine Weise aus, dass uns härtere Zeiten bevorstehen, v.a. hinsichtlich der Außen- und Militärpolitik. Die globalen Konflikte zwischen dem „Westblock“ um die USA, die EU und Japan und dem „Ostblock“ um China, Russland u.a. BRICS-Staaten nehmen an Schärfe zu. Es geht um Einflusssphären, um Rohstoffe, Absatzmärkte und Investments. Dabei sollen Regionalmächte wie Russland, die sich den Vorstellungen und Interessen des „Wertewestens“ nicht beugen wollen, ausgeschaltet werden.

    Die der Aufrüstung dienende gigantische Aufblähung der Staatsschulden birgt allerdings auch enorme Risiken. Lt. dem Internationalen Währungsfonds (IWF) übertrifft die globale Staatsverschuldung schon die Größe von 100 Billionen US-Dollar; noch 2020 waren es „nur“ 50 Billionen. Der drohende Zusammenbruch dieses spekulativen und künstlichen Finanzkartenhauses würde die Welt in eine weit größere Krise stürzen als 2007 nach der Lehmann-Pleite, v.a. weil das Grundproblem, die Überakkumulation von Kapital, immer noch ungelöst ist. Ein neuer Finanzcrash würde die Lebenslage von Milliarden Menschen, v.a. der Arbeiterklasse und der Mittelschichten massiv verschlechtern.

    Um die Herrschaft des Finanzkapitals und des politisch-staatlichen Establishments zu sichern, werden schon seit Jahren die Demokratie unterminiert und Möglichkeiten geschaffen, diktatorisch zu regieren. Corona war dazu der Test, der jederzeit wiederholt werden kann. Dass auch hier die Linke diese Gefahr kaum sieht oder die „Not-Maßnahmen“ sogar noch unterstützt hat, zeigt, wie weltfremd und politisch unfähig die Linke ist.

    Befeuert wird die Aufrüstungsorgie in Berlin und Brüssel durch die Politik von Trump. Anders als seine Vorgänger sieht er nicht mehr Europa als wichtigsten Partner an. Auch der Ukraine-Konflikt ist für ihn nicht mehr die zentrale Frage, sondern der Konflikt mit China. Mit Trump scheint der Schutz Europas nicht mehr selbstverständlich, so dass die EU selbst mehr dafür tun müsse. So twitterte EU-Chefin von der Leyen, dass Europa 800 Milliarden für die Rüstung ausgeben wolle. Frankreich bietet an, Europa unter den Schirm seiner Atomwaffen zu nehmen – und sofort gibt es Stimmen aus Berlin, die eine „atomare Teilhabe“ fordern.

    Das Theater um die „Schuldenbremse“ markiert den Moment, wo das deutsche Kapital gemeinsam mit der EU und Großbritannien in die Offensive geht. Die Einschränkung der Demokratie geht weiter, nun gar in offener Missachtung jeden demokratischen Verständnisses. So wurden z.B. die Wahlen in Rumänien von der EU einfach annulliert, weil ein Kandidat gewonnen hatte, der Brüssel nicht gefiel. Die ruinöse Klima- und Energiepolitik wird weitergeführt – hier verfolgen Berlin und Brüssel einen anderen Kurs als Trump. Die Aufrüstung wird massiv verstärkt. Um diesen Kurs umzusetzen, nimmt die Verschuldung astronomische Dimensionen an und die finanzpolitischen Risiken werden größer. Damit einher gehen Einschränkungen im sozialen Bereich und Angriffe auf Errungenschaften. Der Vorschlag der Streichung eines Feiertages gibt einen Vorgeschmack davon.  Welches Ausmaß die Angriffe haben werden, hängt einerseits davon ab, welchen konjunkturellen Effekt die geborgten Milliarden haben, andererseits davon, inwieweit die Linke und die Arbeiterbewegung dagegen halten werden. Der zu erwartende Widerstand gegen Schwarz/Rot kann dazu führen, dass der Reformismus – ob in Gestalt der Gewerkschaftsbürokratie, der SPD, der LINKEN oder des BSW – weiter an Boden verliert. V.a. die SPD wird durch ihre Regierungsgeilheit weiter verlieren. Es ist aber auch möglich, dass sich ein linker Reformismus stärkt.

    Diese Konflikte und die mit ihr verbundenen Umbrüche müssen dazu genutzt werden, oppositionelle, widerständige und antikapitalistische Kräfte zusammenzuführen, um eine neue antikapitalistische Arbeiterpartei aufzubauen. Wann, wenn nicht jetzt?!

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