I have a dream, everybody has a dream, I have a dream, that I can make it good once more (Tobacco Road … War – Eric Burdon). Geile Mucke!
Man glaubt, was man sich einzureden vermag. Auch sich ausreden ist eine praktikable Sache, nur etwas schwerer. Also eigentlich wird man zu dem, womit man sich beschäftigt. Ein fleißiger TV-Gucker wird zum flimmerfreien TV-Konsumenten des universellen Halbwissens, ein geübter Zeitungsleser kultiviert sich soziologisch zum Zeitungswissenden der gängigen wie vergänglichen Mitteilungsthemen und ein Sparkassenangestellter schreibt Gedichte oder bleibt am Feierabend ein Sparkassenangestellter. Ja, das ist eine krude Theorie, aber dennoch: Womit er sich beschäftigt, dies prägt das Wesen des Menschen.
Man kam auf die Welt und der Lachs war dem frühen Kinde noch ein Unbekanntes. Also lernte ich erstmalig ausgerechnet nicht im Biologie-Unterricht die Erscheinung des Lachs‘ kennen, sondern in den Erzählungen von Jack London. Wo die Bären im Yukon (Alaska) fischend den Goldwäschern bei der Arbeit begegneten. Da entwickelte sich meine Faszination für Wölfe und Fische (Lachse). Mein Vater, ein parteiloser Vorzeige-Akademiker, der die modische und schlagende Erziehung für zielführend hielt, kam eines Tags zur Schilderung eines Galaabends. Wohlgemerkt so um 1965 in der DDR. Und als Höhepunkt, so er damals, gab es echten Lachs. Da war er wieder, dieser springlebendige Fisch.
Mein Freund Klaus hatte schon ein Kaltwasser-Aquarium. Gut, es waren nur zwei Goldfische drinnen. Nach den Mosaikfadenfischen und den unvermeidlichen Guppys züchtete ich dann rote Buntbarsche (hemichromis bimakutulatus). Es hieß, diese weiden pflanzlichen und tierischen Aufwuchs im Aquarium ab. Und in der Tat, sie waren tollkühn. Hielt man einen Finger ins Wasser, versuchten sie sofort, den anzuknabbern. Leberwurststücke schmeckten ihnen auch. Und natürlich waren die eigenen Jungtiere ein Köstliches. Ein Freund (der Wolfgang, um zu präzisieren) musste verreisen und gab mir seinen Kampffisch ins Quartier. Na, mit dem Namen kann jeder Fisch bei den Haifischen ruhen. Er blieb konsterniert in einer Ecke des Beckens und die Barsche fixierten den Neuling mit noch gebührender Zurückhaltung. Statt nun stundenlang dem Geschehen zu folgen, fuhren wir mit dem Fahrrad an den Kaitzer Bach, wo man die Jungbullen mit Kieselsteinen sehr gut dazu bringen konnte, aufeinander loszugehen. Unterdessen daheim, unter dem Bett in Gläsern die Kaulquappen an Sauerstoffmangel starben. Oder Mücken aus den Larven, die für die Fische gedacht waren, sich im Zimmer verteilten.
Warum erzähle ich das alles? Ach so, ja klar, man wird zu dem, womit man sich beschäftigt. Bei mir schien es der Widerspruch zwischen artig und wild gewesen zu sein. Wie doch fast alle, wird jeder jetzt sagen. Manche haben den Widerspruch einseitig gegen den Gehorsam eingetauscht. Nun schnappte ich neulich etwas auf, ich glaube von Bernd Wagner war das: „…. Schreiben ist der fortwährende Versuch erwachsen zu werden, der niemals von Erfolg gekrönt sein darf ….“. Da ist es wieder, die Relation zum Fisch, zum Symbol des Fortschwimmens gegen den Strom. Nicht ankommen, im Fluss bleiben. Was könnte man also, nach meiner obigen Theorie sagen? Dass daraus auch der Universaldilettant entsteht, als den ich mich heute betrachte.
Jedenfalls daheim angekommen, war kein Kampffisch mehr vorhanden. Die Barsche schwammen fischgemäß hin und her oder auf und ab. Keine Gräte, nirgendwo, auch nicht auf dem Teppich, falls er einen Fluchthopser gemacht hatte. Und Lachs und Lachsfilet blieben noch etwas länger Phänomene der weiten, luxuriösen Welt. Viele Jahre später, der Westen war längst über den Osten gekommen, besuchte ich meinen alten Vater in Sachsen. Als besonderes Geschenk, unter Zuhilfenahme meiner Erinnerung, brachte ich eine riesige Hälfte eines Wildlachsfilets mit. Strahlend packte ich das aus und legte es auf Vaters Tisch. Worauf er sagte: „Bin ich denn ein Seehund? Dass ich plötzlich Mengen an Lachs esse?“ So schließt sich heute in mir die Erinnerung an Lachs, vom ersten Hall des Wortes zum Frühstück heute. Derart kann also sogar das Lachsangebot den Menschen verändern. Später, nach des Tages Mitte hörte ich Musik. Ihr ahnt es. Ich werde vielleicht zum Eric Burdon-Versteher, nur nicht zum Lachs-Leugner.