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Neo-Kompradoren: die linken Fußsoldaten des Imperialismus

    Von Sammy Ismail

    Quelle: https://english.almayadeen.net/news/politics/neo-compradors:-the-leftist-foot-soldiers-of-imperialism (Netzfund)

    Al Mayadeen – Englisch2. Februar 2023

    Eine Rezension von James Petras‘ „NGOs: im Dienste des Imperialismus“

    In seinem Buch „NGOs: Im Dienste des Imperialismus“ setzt sich James Petras aus Sicht der Wissenschaft mit dem Imperialismus in modernen Gemeinschaften des globalen Südens auseinander. Seine Grundannahme ist die, dass sich der Kapitalismus und damit auch der Imperialismus ständig weiterentwickelt, um sich selbst zu erhalten. James Petras veranschaulicht seine Analysen zum Imperialismus anhand des Beispiels der Neo-Kompradoren.

    Der Anlass für Analysen wie diese ist eine tiefe Enttäuschung über den zeitgenössischen linken Diskurs. Dieser hat den wissenschaftlichen Sozialismus unter dem Vorwand der Modernisierung einer überholten Theorie zu einer Ideologie des politischen Aktivismus verzerrt, die von NGOs institutionalisiert und mit westlichen Geldern gefördert wird, während sie sich revolutionärer Redewendungen bedient.

    Prämissen von Petras‘ Imperialismus-Konzept

    Erste Prämisse: Der Imperialismus ist ein unvermeidliches Nebenprodukt der Weiterentwicklung des Kapitalismus. Von einer Institutionalisierung des freien Wettbewerbs hin zu einer monopolistischen Entwicklung durch den Einsatz von Banken und die Verlagerung von Industrien zur Gewinnmaximierung durch die Nutzung von billigen Arbeitskräften und geplünderten Ressourcen.

    Zweite Prämisse: Dem Imperialismus, als einer fortgeschrittenen Epoche der Geschichte, geht der Kolonialismus voraus. Die Armeen Großbritanniens und Frankreichs standen an der Spitze der Eroberungen und der Kolonisierung anderer Nationen: das Plündern von Ressourcen und die Ausbeutung der Völker dieser Nationen durch direkte Besetzung zum eigenen Zweck.

    Dritte Prämisse: Der Imperialismus ist, wie der Kapitalismus, aus dem er sich entwickelt, durch einen Widerspruch der Ausbeutung bedingt. Der latente Widerspruch wird durch eine revolutionäre, antithetische Kraft (die antiimperialistische Partei bzw. die proletarische Partei) aufgelöst, die darauf abzielt, das Behauptete (den Imperialismus bzw. den Kapitalismus) zu negieren und so den Status quo umzustürzen.

    Vierte Prämisse: Die reaktionären Kräfte zielen darauf ab, den Widerspruch der Ausbeutung aufrechtzuerhalten. Neu für James Petras und die wenigen antiimperialistischen, sozialistischen Akademiker ist die Erkenntnis, dass die reaktionären Kräfte (Akteure und Taktiken), die darauf abzielen, die Ausbeutung aufrechtzuerhalten, sich historisch und dynamisch entwickeln. Dadurch sollen optimale Ergebnisse gewährleistet werden. Dies geschieht unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure und unter Einsatz unterschiedlicher Taktiken (Zuckerbrot und Peitsche), um für verschiedene Bevölkerungsgruppen Anreize zu schaffen oder sie zu terrorisieren.

    Der im Kapitalismus latent vorhandene Widerspruch der Ausbeutung wird auf den Imperialismus ausgedehnt, da dieser ein Nebenprodukt des Kapitalismus ist. Die Ausbeutung der Arbeitnehmer durch den Kapitalisten entwickelt über ihre nationale Dimension hinaus ein internationales Ausmaß. Die Verlagerung der Ausbeutung erfolgte zunächst durch direkte Besetzung und/oder Besiedlung (d. h. Kolonialismus), dann durch vermittelte Kontrolle (d. h. Kompradorialismus) und schließlich durch die Kooptierung sozialer Bewegungen (Neo-Kompradorialismus).

    Kompradoren in Südwestasien

    Allmählich zerfielen unter dem Druck der einheimischen Befreiungsbewegungen die europäischen Siedlerkolonien auf der ganzen Welt, aber auch, weil sie vom langsam entstehenden US-Imperium bedrängt wurden. Der Imperialismus löste den Kolonialismus als internationales Regime der systematischen Ausbeutung ab. Die Taktiken kolonialistischer Hegemonie wurden ersetzt durch Taktiken imperialistischer Hegemonie. Die Verfahren des Imperialismus bestehen darin, einheimische Regime, die dem ehemaligen Kolonisator untergeordnet sind, zu konsolidieren. Dies geschieht indem die lokale Bourgeoisie (und/oder Feudalherren), die enge Verbindungen zu den ehemaligen Kolonisatoren hat, als herrschende Klasse etabliert wird. Diese Regierungsform ermöglichte es den Kolonisatoren ihre Interessen in ihren ehemaligen Siedlerkolonien hinter der Fassade der Selbstbestimmung zu bewahren.

    Die Levante

    Die Befreiung von der französischen Kolonisation hinterließ im Libanon ein paar Familien der Oberschicht, die verschiedenen städtischen Eliten angehörten. Einige der Oligarchien waren aufgrund religiöser Zugehörigkeit, familiärer Bindungen und vor allem gemeinsamer Interessen eng mit den Franzosen verbunden. Im Irak und in Jordanien traten die Haschemiten-Dynastien die Nachfolge des britischen Kolonialismus an.

    Der Golf

    Die Nachfolge der Herrschaft am Golf verlief anders. Arabien und Persien wurden nicht kolonisiert, aber auch sie fielen einheimischen Kompradoren mit Verbindungen zu Großbritannien zum Opfer. Im Iran wurde die Pahlavi-Dynastie mit der Führung über das ölreiche zentralasiatische Land beauftragt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Golfs konsolidierte sich der Saud-Clan als Herrscher über den größten Teil Arabiens. Dort überfiel und schlachtete er die verschiedenen Stämme der Halbinsel ab, um dann, zwecks Ölförderung und -export, mit den Briten zusammenzuarbeiten.

    Palästina

    Palästina ist die einzige Ausnahme des Trends, dass einheimische Herrscher die Kolonisatoren ablösen. Der Zionismus ersetzte den britischen Kolonialismus als autoritäre Regierung über Palästina. Obwohl Israel zum Siedlerkolonialismus gehört, kann man es nicht unter dem Sammelbegriff des internationalen Regime des europäischen Kolonialismus, sondern eher unter dem internationalen Regime des Imperialismus der Pax Americana einordnen, wobei Israel gemeinhin als weiterentwickelte amerikanische Militärbasis in der Region verstanden wird.

    Definition von Neo-Kompradoren

    Die Entkolonialisierung neutralisierte die kolonialistischen Imperien Frankreichs und Großbritanniens und hinterließ eine Vielzahl von relativ autonomen Nationalstaaten. Der Imperialismus löste den Kolonialismus ab. Die USA haben die Herrschaft über ihre europäischen Vorgängermächte geerbt.

    Die Klasse der Kompradoren ist die bürgerliche Klasse, die von den ehemaligen Kolonialherren und den heutigen Imperialisten kooptiert wurde, um an ihrer Stelle zu handeln. Diese Kompradoren stammten aus feudalen Familien und waren von Natur aus reich und einflussreich. Ihre Autorität innerhalb ihrer Verwandtschaft wurde durch ihre Verpflichtungen gegenüber ihren ausländischen Geschäftspartnern weiter gefestigt.

    Die Klasse der Neo-Kompradoren hingegen ist nicht unbedingt bürgerlich geprägt (d. h. ein Neo-Komprador muss keine Produktionsmittel besitzen). Neo-Kompradoren sind die intellektuellen Schichten der mittleren und unteren Klassen. Sie steigen in der Hierarchie der sozialen Klassen durch den Zufluss von fremdem Kapital auf, welches ihnen von ihren Handlangern aus dem Ausland zugeführt wird.

    NGO-Führer

    James Petras identifiziert Neo-Kompradoren als die Leiter von NGOs, die von westlichen Fonds/Organisationen wie dem National Endowment for Democracy (NED) und anderen Varianten davon, wie der Open Society Foundation, dem National Democratic Institute, dem European Endowment for Democracy, der US Agency for International Development, dem International Republican Institute, dem Middle East Policy Institute und den europäischen Varianten wie dem European Endowment for Democracy gesponsert werden und in erster Linie als Fassade für die verdeckte Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durch die Regierung dienen.

    Der NED-Fonds wurde vom amerikanischen Präsidenten Lyndon Johnson in den 1960er-Jahren im Kalten Krieg während der ideologische Kampf zwischen den USA und der UdSSR als Alternative zur verdeckten Finanzierung durch die CIA eingerichtet. Nachdem aufgedeckt worden war, dass private Zeitungen und Parteien in Osteuropa von der CIA finanziert wurden, entschied sich Präsident Johnson diese Beziehung zwischen Geldgebern und Empfängern in Übersee in einen privat-privaten Mechanismus anstelle eines öffentlich-privaten Mechanismus umzuwandeln, um diplomatische Eskalationen mit kommunistischen Ländern in internationalen Foren zu vermeiden Zu diesem Zweck führte er die NED ein.

    Darüber hinaus spielte der Gründer der Open Society Foundation, der amerikanische Philanthrop Georges Soros, eine Schlüsselrolle bei der Ausarbeitung der farbigen Revolutionen in Osteuropa, die dort den Untergang des Sozialismus herbeiführten.

    Mehr Lesen:

    https://english.almayadeen.net/articles/blog/ngos-in-lebanon:-the-new-drones-of-us-imperialism

    Die betreffenden NGOs, deren Führer die Klasse der Neo-Kompradoren bilden, sind insbesondere diejenigen, die Narrative formen und in den politischen Diskurs einbringen, d. h. partei- oder zeitungsähnliche NGOs wie Think Tanks, aber sicherlich nicht NGOs wie Ärzte ohne Grenzen.

    Unproduktive Klasse

    „Die NGO-Führungskräfte können als eine Art Neo-Kompradorengruppe betrachtet werden, die keine nützlichen Waren produziert, sondern Dienstleistungen für die Geberländer erbringt – hauptsächlich durch den Handel mit der einheimischen Armut für individuelle Vorteile“ (J. Petras, 2007, S. 430).

    Die Arbeit der NGOs ist „unproduktive Arbeit“, d. h. sie ist dienstleistungsorientiert und produziert keine Güter. Aber auch die Art der Dienstleistungen, die sie erbringen, ist eigentümlich. Es wäre unangemessen, sie wie Lehrer, Krankenschwestern oder Sozialarbeiter einzuordnen, die eine für die Entwicklung und den Fortschritt der Gesellschaft notwendige Dienstleistung anbieten. Auch wenn sich viele NGO-Chefs als Vollzeit-Menschenrechtsaktivisten präsentieren, stellt dies weder eine produktive noch notwendige oder politische Arbeit dar. Es ist, wie Petras es beschrieben hat, die Ausnutzung der Armut der Bevölkerung, um die Unterstützung der Bevölkerung für ihre Bewegungen zu gewinnen, die darauf abzielen, die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen des Imperialismus zu fördern. Als Gegenleistung erhalten sie dafür feste und hohe Gehälter, die es ihnen ermöglichen, in der sozialen Hierarchie aufzusteigen, obwohl sie nicht zur nationalen Bourgeoisie gehören.

    Intellektuelle, die sich eines linken Diskurses bedienen

    Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Neo-Kompradoren auf das Petras hinweist, ist der intellektuelle Hintergrund und die Art des Diskurses, den sie zur Mobilisierung der Menschen verwenden.

    „Die NGOs übernehmen die Sprache der Linken: ‚Volksmacht‘, ‚Ermächtigung‘, ‚Gleichstellung der Geschlechter‘, ’nachhaltige Entwicklung‘, ‚Führung von unten‘ usw.. Das Problem besteht darin, dass dieser Sprachgebrauch in einen Rahmen der Zusammenarbeit mit Gebern und staatlichen Stellen eingebettet ist, die die Aktivitäten unterordnen“ (J. Petras, 2007, S. 434).

    Indem er diese Netzwerke von Neo-Kompradoren aufbaute, nutzte der Imperialismus sein eigenes Fehlverhalten (d. h. die ausbeuterischen sozialen Bedingungen des Neoliberalismus), um seinen revolutionären Fußsoldaten Schwung zu verleihen.

    „Das Wachstum radikaler sozialpolitischer Bewegungen und Kämpfe stellte eine lukrative Ware dar, die ehemalige radikale und populäre Pseudointellektuelle an interessierte, zuständige und gut finanzierte private und öffentliche Stiftungen verkaufen konnten, die eng mit europäischen und US-amerikanischen multinationalen Unternehmen und Regierungen verbunden sind“ (J. Petras, 2007, S. 432).

    Der Bedarf des Imperialismus an Neo-Kompradoren wandelte politischen Aktivismus in einen Arbeitsmarkt um. Dabei konkurrieren arbeitslose Intellektuelle und undisziplinierte Linke darum, ihre revolutionären Erfahrungen und ihr Potenzial an imperialistische Interessen zu verkaufen.

    Die Neo-Kompradoren sprießen in Krisenzeiten aus dem Boden, um regierungsfeindliche Positionen einzunehmen. Sie stehen an der Spitze der sozialen Bewegungen, die in Opposition zur Regierung entstehen und gestalten den Diskurs zugunsten der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen ihres Auftraggebers.

    Die weniger charismatischen Neo-Kompradoren dienen als einheimische Informanten: Sie wählen die Ziele für die Sanktionen ihres Auftraggebers aus. Die charismatischeren Neo-Kompradoren sind mit der ehrenvolleren Aufgabe betraut den Gegendiskurs zu gestalten. Sie geben sich oft als Menschenrechtsaktivisten aus, die für populäre Anliegen wie Feminismus, Queer-Aktivismus und/oder Antirassismus eintreten.

    Kurz gesagt, die Neo-Kompradoren bilden eine neue sozioökonomische Klasse, die als Nebenprodukt des Spätimperialismus entsteht und befreien somit die Intellektuellen aus ihrem Status der unteren Mittelschicht.

    Mehr Lesen:

    https://english.almayadeen.net/news/politics/us-diplomat:-us-backed-lebanese-opposition-self-centered-nar

    Im Gegensatz zu den Kompradoren

    „Die westliche Finanzierung der NGOs als Kritiker war eine Art Versicherung für den Fall, dass die amtierenden Reaktionäre ins Wanken geraten“ (J. Petras, 2007, S:432). 

    Die Klasse der Neo-Kompradoren ist zwar mit der früheren Klasse der Kompradoren vergleichbar, unterscheidet sich aber in ihrem Wesen. Im Falle der Kompradoren wird die Bourgeoisie durch die Notwendigkeit, ihre nationalen Interessen vor einer möglichen Revolution zu schützen, zur Kollaboration mit dem Imperialismus veranlasst. 

    Im Falle der Neo-Kompradoren sind es die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, die die Intellektuellen zur Kollaboration mit dem Imperialismus veranlassen. Sie sind selbst Opfer des Imperialismus und des neoliberalen Wirtschaftsmodells, das er durchsetzt. Sie ersparen sich die Qualen des Neoliberalismus, indem sie für ein hohes Gehalt aufbegehren.

    Die Kompradoren sind Teil der Bourgeoisie, d. h. sie besitzen Produktionsmittel oder Dienstleistungen. Die Neo-Kompradoren besitzen keine Produktionsmittel, ihre Haupteinkommensquelle sind ihre Handlanger in Übersee.

    Sowohl die Kompradoren als auch die Neo-Kompradoren handeln als Vertreter des Imperialismus. Beide streben danach, die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Ziele des Imperialismus zu verwirklichen. Erstere tun dies mithilfe des Staatsapparats, letztere in Opposition zum Staatsapparat. Die Kompradoren setzen typischerweise autoritäre Taktiken ein, um die Bevölkerung im Sinne der Ziele des Imperialismus auf Linie zu bringen. Neo-Kompradoren hingegen setzen Populismus ein, um abweichende Meinungen zugunsten der imperialistischen Ziele zu unterdrücken. Dadurch kann jede potenzielle antiimperialistische oder antikapitalistische Revolution im Keim erstickt werden.

    Die Neo-Kompradoren „betreiben eine komplementäre Aktivität an der Basis, indem sie die aufkeimende Unzufriedenheit, die aus der Ausbeutung der Wirtschaft resultiert, ausschalten und zersplittern“ (J. Petras, 2007, S:440).

    Die Dynamik von Kompradoren und Neo-Kompradoren: Die Fälle Iran und Libanon im Vergleich

    Neo-Kompradoren treten in der Regel an die Stelle der Kompradoren, wenn es zu einer Volksrevolution kommt.

    Im Iran zum Beispiel war Mohammad Reza Pahlavi, der letzte Schah von Iran, während des Kalten Krieges der führende Komprador der USA gewesen und hatte eines der größten Militärs eingesetzt, um den Nahen Osten gegen den Einfluss des Kommunismus und des arabischen Nationalismus zu kontrollieren. Der Schah entsandte Truppen nach Oman, um die sozialistische Revolution niederzuschlagen, die als „Dhofar-Rebellion“ bezeichnet wurde und sich gegen das Sultanat richtete. Außerdem unterstützte er in den 1950er-Jahren die rechtsextreme Chamoun-Regierung gegen den seiner Meinung nach zunehmenden Einfluss des radikalen arabischen Nationalismus und richtete in Beirut ein Hauptquartier für den iranischen Geheimdienst SAVAK ein. Nach dem gewaltsamen Sturz des Schahs im Jahr 1979 durch die islamische Revolution, die ein antiimperialistisches Regime zur Herrschaft über den Iran festigte, wurden Kompradoren (d. h. die mit dem Imperialismus kollaborierende Bourgeoisie) in Revolutionsgerichten massenhaft hingerichtet.

    Nach der Revolution wurde die iranische Regierung von sämtlichen Kompradoren befreit. So setzte der US-Imperialismus Neo-Kompradoren ein, um seine sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Ziele im Iran zu propagieren und die nunmehr antiimperialistische Regierung zu untergraben.

    Die Neo-Kompradoren stellen in der Regel einen Ersatz für die Kompradoren dar, in einigen Fällen existieren sie jedoch nebeneinander.

    Im Libanon zum Beispiel schossen die NGOs nach dem Libanonkrieg 2006 wie Pilze aus dem Boden, nachdem es der Hisbollah gelungen war, eine groß angelegte israelische Invasion abzuwehren und ein Abschreckungsprinzip durchzusetzen. Die Hisbollah wurde zu einer immer größeren Bedrohung für die amerikanischen Sicherheitsinteressen, und gleichzeitig begannen mehr libanesische Parteien, die Entwaffnung der libanesischen Widerstandsbewegung zu fordern.

    Anfänglich waren die Parteien der „Allianz des 14. März“ die Vorhut dieser Agenda. Die „Allianz des 14. März“ setzte sich aus Kompradoren zusammen. Die meisten von ihnen sind Teil der libanesischen Bourgeoisie: Besitzer von Banken und Tankstellen und Aktionäre vieler Unternehmen. Außerdem haben sie zusammen mit den Parteien der „Allianz des 8. März“ 18 Jahre lang die libanesische Regierung geführt. Die „Allianz des 14. März“ hat das Sicherheitsziel der USA, die Hisbollah zu entwaffnen, offenkundig verfehlt, wurde aber nicht aus der Regierung verdrängt.

    Die Hisbollah konnte aufgrund des gemeinschaftlich-konfessionellen Charakters des libanesischen politischen Systems weiter mitregieren. Im Jahr 2019 kam es im ganzen Libanon zu großen Protesten gegen die ausbeuterische neoliberale Politik der libanesischen Regierung und der Banken. Die Proteste richteten sich ausdrücklich gegen das Establishment im Allgemeinen. Diese Atmosphäre einer radikalen sozialpolitischen Bewegung war der perfekte Nährboden für die Neo-Kompradoren der USA. Was zunächst als Protest gegen die libanesischen Banken und die neoliberale Politik der Regierung begann, wurde von westlich finanzierten Parteien und Medienplattformen in Forderungen zur Entwaffnung der Hisbollah umgewandelt.

    Selbst in den seltenen Fällen, in denen sie koexistieren, werden die Neo-Kompradoren und die Kompradoren als Rivalen dargestellt. Letztere sind in der Regel Teil der herrschenden Elite, d. h. der Oligarchie, während erstere in NGOs, kleinen Oppositionsgruppen oder alternativen Medien organisiert sind.

    „Die Masse der NGOs hat die meisten der ehemals freischwebenden öffentlichen Intellektuellen vereinnahmt, die ihre Klassenherkunft aufgeben und sich den Volksbewegungen anschließen würden. Das Ergebnis ist eine vorübergehende Lücke zwischen den tiefgreifenden Krisen des Kapitalismus und dem Fehlen maßgeblicher organisierter revolutionärer Bewegungen“ (J. Petras, 2007, S:440).

    [Aus dem Englischen übersetzt und redaktionell bearbeitet]

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