Von Roberto J. De Lapuente – 11. September 2025.
Netzfund: Rüstungskleber – wo seid ihr? – Berlin 24/7
Rheinmetall tut was – und schafft Arbeitsplätze. Die SPD und die Presse jubeln: Jobs, Jobs, Jobs – für ein Deutschland, in dem wir alle gut und gerne … nun ja, sterben? Und wo sind eigentlich die Rüstungskleber?
Große Freude in Unterlüß, einem kleinen Ort mit 3.500 Einwohnern in der Lüneburger Heide: Denn das Jobwunder schaut vorbei. Rheinmetall eröffnet dort ein Werk für Artilleriemunition. 360.000 Geschosse jährlich sollen dort fabriziert werden. Und alle waren sie zur Eröffnung da, um der großen, der bombastischen Freude Ausdruck zu verleihen. Die Bundeswehr, der NATO-Generalsekretär und die Sozialdemokratie gaben sich die Ehre. Feierlaune in Niedersachsen: Der Aufschwung steht an.
350 Millionen lässt sich Rheinmetall das Werk kosten. Weitere 150 Millionen sollen für ein weiteres Werk in Unterlüß in die Hand genommen werden. Bis zu 500 Arbeitsplätze sollen entstehen. Sehr großzügig und nobel vom Rüstungskonzern, die insbesondere durch öffentliche Aufträge erzielten Umsätze – 2024 war Rekordjahr, der Umsatz lag bei 9,75 Milliarden Euro; zum Vergleich, 2021 notierte man 5,7 Milliarden – auch wieder an die Allgemeinheit zurückzugeben Hier wird Solidarpartnerschaft noch großgeschrieben, Rheinmetall erstattet den Bürgern und Steuerzahlern wieder etwas zurück – das Düsseldorfer Unternehmen denkt an Land und Leute. Zusammenzustehen: Das ist ja bekanntlich die Devise, die jetzt zählt.
Gruppenbild mit Waffe
Die Medien berichteten von der Bombenstimmung im Unterlüßer Werk. Sie betonten, wie leistungsstark die Rüstungsgüter sind, die von Rheinmetalldort hergestellt werden. Die Prominenz ließ sich vor Paletten mit Munition ablichten. Prächtige Laune auf einem Farbfoto: Die Rezipienten sollen die Chancen erkennen, die eine solche Produktionsstätte für die Zukunft dieses Landes bringt. Aufrüstung: Das ist nicht einfach nur todbringendes Gerät zu produzieren, sondern ein Wachstumsmarkt, an dem alle beteiligt werden können. Kriegswirtschaft ist eine Win-Win-Situation – ja, ein Wohlstandsgenerator. Im kleinen Unterlüß bricht eine neue Zeit an, eine regelrechte Zeitenwende.
Indes lobte Rheinmetall-Chef Armin Papperger, der neuerdings auch als geopolitischer Experte befragt wird, den Verteidigungsminister. Boris Pistorius, so sagte er pathetisch, sei »ein Mann des Wortes und der Tat«. Und er sei ihm außerdem sehr dankbar. Weiterhin plant das Unternehmen, in der Ukraine direkt ein Munitionswerk zu errichten. Denn auch die Ukrainer sollen etwas vom Kriegswirtschaftswunder haben.
Und selbst wenn der Krieg in der Ukraine endet: Längst hat man sich darauf verständigt, dass es weitergehen muss mit der Herstellung von tödlichem Gerät. Bekanntlich greifen die Russen nicht nur nach der Ukraine, sondern nach Polen, nach dem Baltikum und Deutschland – ja, die Russen seien ganz verrückt nach Berlin-Kreuzberg. Europa soll also sukzessive russifiziert werden. Dafür gibt es zwar keine Belege, nicht mal amerikanische Dienste können welche heranschaffen – aber es gibt Notwendigkeiten, eine solche Geschichte aufzutischen: Denn die Rüstung soll die Wirtschaft ankurbeln, die Politik braucht eine neue Aufbruchsstimmung, ein bisschen ökonomischen Erfolg und sie kennt nur noch das Konzept der Rüstungswirtschaft. Was dann mit den Lagerhallen voller Waffen geschieht, muss man noch klären. Dass man sie in ein Endlager weit unter der Erde steckt, scheint dabei eher nicht geplant zu sein. Wer Waffen hat, verkauft sie entweder – oder er setzt sie ein. Die »schöne neue Wirtschaftswelt« attestiert die Tagesschau jedoch einzig und alleine Donald Trump. Unsere Wirtschaft jedoch: Unantastbar.
Die Autoindustrie gefährdete unser aller Leben …
Herrliche Zeiten in Deutschland! Für die, die dem Hokuspokus der Berliner Medien- und Politikblase noch auf dem Leim gehen. Die anderen knirschen mit den Zähnen. Sie wähnen sich in einem Deutschland, dass nicht herrlich ist, sondern herrisch – und nebenher noch ein grotesker Platz auf Gottes weitem Rund. Hätte beispielsweise in Unterlüß ein neues Automobilwerk eröffnet, wären die Jungs und Mädels diverser Klimaschutz-NGOs in der Lüneburger Heide aufmarschiert und hätten den Kollaps und das Ende der uns bekannten Welt verkündigt – sie hätten den Zufahrtsweg zum Werk besetzt und sich auf den Asphalt gekleistert. Alles unter dem tosenden Beifall stolzgeschwellter Elternbrüste, die ihr Glück kaum fassen können, dass aus ihrem kleinen Scheißerle dann doch ein Weltenretter wurde.
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