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»Tanz um dein Leben«

    Bericht zu „Save the Planet Rave“ by Captain Future und der Freedom Parade vom 8. Juli 2023

    Von Dexter Gorden.

    Als #freejazzer – wollte ich programmatisch meine Grenzen mit Techno austesten und die kritische Masse stellen, da dies ja eindeutig des Captains Metier ist und sich ihm erstmalig die Chance bot, statt Ausschluss vom Woke-Rave (ähnlich DGB-Ausschluss). Soweit so solidarisch. Es sollte auch eine ekstatische Erfahrung werden. Beginnend mit Voodoo (nur zwecks eigener Anwendung).

    Die Veranstaltung startete um 14:00 Uhr am Potsdamer Platz (der andere Rave war am Brandenburger Tor) und wollte eine Stunde Musik machen. Ich kam um 14:45 Uhr dazu als die Polizei 50 Prozent politische Redebeiträge forderte. Tanz reiche nicht als politische Botschaft. CF beschwerte sich zurecht sofort (mit Bezug auf die Rave the Planet Demo), ob jetzt wieder bei Demonstrationen mit zweierlei Maß gemessen werde. Er spielte die vorbereiteten Forderungen (Demo ohne Redebeiträge, Aufarbeitung, Frieden, usw., sowie die Looney Tunes „Schussgeräusche“) ab, mit dem Hinweis dies nun nicht dauernd zu wiederholen.

    Wir priesen unseren Umzug den etwas ratlos Umstehenden und Passierenden als Alleinstellungsmerkmal zum Anschluss an. Es schloss sich aber niemand an, außer der 31sten Hundertschaft mit fünf Wannen, die genervt wartend, vom Einsatzleiter via Ohrstöpsel immer wieder schikanöse Auflagen anbrachten (beinahe hätte ich sie zum „wilden“ Streik aufgefordert).

    40 Minuten später steigerten wir tanzend und ravend den Enthusiasmus bis der Umzug etwas umständlich begann. Am Sony Center zählte der Captain über 50 Teilnehmer, die Polizei 48, ab 50 darf man auf die Straße, die eh von der Hundertschaft blockiert wurde. Wir gingen auf dem Bürgersteig, der Wagen tingelte auf der Straße, der Sound war leider etwas falsch ausgerichtet. Vor dem Kupferstichkabinett, Musikinstrumenten- und Gewerbemuseum brachten wir sieben Touris dazu sich uns anzuschließen und wechselten auf die eroberte Fahrbahn. Ab und zu kamen einzelne Menschen dazu und verließen uns wieder. Wir spazierten recht erfolgreich bis zum Nollendorf- und Wittenbergplatz. Dort wurden wir seltsam beäugt, einige winkten freundlich, konnten sich im großen Ganzen aber keinen Reim machen und shoppten weiter.

    Ab da wurden polizeilich vermehrt Ordner für den Wagen gesucht (die bisherigen seien wohl etwas unnüchtern) und die drei ausdauernd tanzenden Frauen von der Hebebühne geholt. Insgesamt suchte die Polizei oft den Kontakt, was wohl einigen nicht unangetüdelten Mittänzern galt. Wobei, kommt sowas beim großen Rave nicht vor?

    Wir drehten eine Runde um Gedächtniskirche und Zoo und beim Wiedereinschwenken zur Rückrunde wurden wir (in einer Nebenstraße, ach was) gestoppt. Es hieß, die Ordner seien unzuverlässig. Glücklicherweise wurden vier vertrauenswürdige gefunden, aber die Polizei war schlecht zufriedenzustellen, so dass entschieden wurde, die Rückroute abzubrechen, um sich am Potsdamer Platz, nach diesem Zwischenerfolg, wieder einzufinden. Die Pause tat einigen gut, andere wären in der guten Stimmung gerne weitergelaufen, aber wir waren ein wenig geschrumpft, ob der dauernden polizeilichen Bearbeitung. Ein Italiener suchte den anderen Rave und ging mit (scheint anders, aber hoffnungslos in Italien).

    Auf der Route gab es Flyerverteilverbot (ohne Rechtsbelehrung natürlich) und ein Ordner bekam von der Straßenseite einen Schlag auf die Nase sowie einen Tritt in den Bauch. Die blutende Nase wurde von uns später mit getränkten Taschentüchern versorgt, ebenso die posttraumatische Belastung und der Verdacht auf Gehirnerschütterung, er kam aber wieder auf die Beine. 50 Hundertschaftler können ja nicht alles sehen, meinte ein Beamter zu mir (er redete von „Schutz“!!). Das passiert, wenn man sich um vier „unzuverlässige“ Ordner kümmert und eine einstündige Maßnahme an einer Tüte festmacht.

    Am Potsdamer Platz wurde dann der Rücklaufravekundschaft vom 17. Juni, in der ersten Stunde weniger, später immer mehr, Stimmung und unsere Botschaft vermittelt. Auch die UFO-Botschaft wurde verbreitet („Wir sind nicht allein im Universum“, allerdings!). Der Captain wurde gar priesterlich und sprach ob umgebender größerer Gleichgültigkeit von Liebe, was durchaus angemessen war. Die Stimmung lief dann noch, mit Technozivilvolk, zu gemeinsamer Hochstimmung und 90er Jahre Techno-Reminiszenzen auf, denen ich nur bedingt folgen konnte (glücklicherweise wurden die Texte angepasst). Meine persönliche Schande und Tiefpunkt war Hyper Hyper von Scooter. Einige Raumschiffe flogen schwerelos, aber immerhin hob sich der Jazzstandard mit Over the Rainbow von H. Arlen aus der Tinpan Alley (Ufta ufta). Mein musikalisches Fazit: #freejazz mit zwei Akkorden, im Gegensatz zu dreien im Punk.

    Der Captain übergab dann an seinen Hannoverschen Gast, der etwas neuer und glatter auflegte. Zwischendurch auftretende Technik- und Überhitzungsprobleme wurden gekonnt mit skandierten Beiträgen des Publikums geschickt umgangen. CF hatte leicht tanzhemmende rhythmische Brüche und viele exquisite (gewagte) Halbtonrückungen.

    Zum Schluss war die Stimmung besser als bei allen sonstigen Potsdamer Platz Aktionen.

    Doch nicht nur ich fühlte mich an die 2022er Willkür erinnert. War die Polizei dort zu sehr geübt worden?

    Jedenfalls hat der Tanz seine Unschuld verloren, er ist politisch. Man darf die dortigen Aktivisten wirklich nicht mehr alleine lassen. Nächstes Jahr sollte die gesamte Übernahme des Rave the Planet weniger kurzfristig vorbereitet sein. Der Captain hat sich etwas übernommen, seinen Musikpart aber tadellos gebracht. Fazit ist, das die Aufforderung „Tanz um dein Leben“ ernsthaft geworden ist, aber besser taktiert und breiter aufgestellt werden muss (tiefgründiger und Ordnung reduzierend)!


    Hierzu auch das Freedom Parade Video:

    https://www.youtube.com/watch?v=JMa0TrsAvlA&feature=youtu.be

    Gastbeitrag in der Berliner Zeitung vom 9. Juli 2023 zur Rave the Planet Parade von Dr. Motte: https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/gastbeitrag-berlin-loveparade-urgestein-juergen-laarmann-zieht-bilanz-von-rave-the-planet-so-grosse-luecken-hat-es-noch-nie-gegeben-li.367682

    Dimitri-Hegemann-Rede „Techno und Frieden”

    https://groove.de/2023/07/10/rave-the-planet-dimitri-hegemann-rede-techno-und-frieden/

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