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Zur 1. Mai-Demo:

    Stellungnahme der Freien Linken Berlin zum Auftritt von Captain Future in Ungarn.

    Berlin, den 25.04.2022.

    Immer wieder wird der Freien Linken bzw. den tatsächlich noch links denkenden Kräften von vielen eine Nähe zu rechten Organisationen bzw. eine mangelnde Abgrenzung von Rechts vorgeworfen. Das gilt nicht nur für uns Freie Linke, sondern auch für die Gruppen und Einzelpersonen, mit denen wir seit zwei Jahren zusammenarbeiten, um uns gegen dieses Regime und seine menschenverachtenden Maßnahmen zu Wehr zu setzen. Wir als Linke unterliegen permanent dem Vorwurf einer Kontaktschuld, und manche sehen sich dazu gezwungen, selbst unberechtigte Anschuldigungen aufzunehmen und darauf zu reagieren.

    Inwieweit der bisherige Umgang damit zielführend für den Widerstandskampf, aber auch für unser Selbstverständnis war bzw. ist, muss einstweilen offen bleiben, doch die Frage stellt sich immer drängender und wir werden Antworten darauf finden müssen.

    Erinnern wir uns daran, als am 21. April 2021 auf einer Demobühne auf der Straße des 17. Juni plötzlich der damals für die AfD im Bundestag sitzende Abgeordnete Hansjörg Müller auftauchte und Dietmar Lucas als Vertreter von Q30 zum schnellen Fotoshooting verbrüdernd den Arm über die Schulter legte, oder wie nach einer anderen Berliner Demo im August letzten Jahres im Netz auf den Transatlantifaseiten ein Foto auftauchte, welches die Freie Linke Berlin mit ihrem Banner und ihren Fahnen direkt hinter dem Banner einer österreichischen identitären Gruppe zeigte. Shit happens und ist, wie schon oft erklärt, nicht immer zu vermeiden.

    Anders aber verhält es sich, wenn sich Linke plötzlich auf Veranstaltungen zeigen und dort mitagieren, die eindeutig einem rechtsorientierten Lager zuzuordnen sind. So geschehen am 17. Februar 2022, als Captain Future (Frontfigur der Freedom Parade) auf Einladung von Ignatz Bearth[1] auf dessen Veranstaltung am Balaton einen Vortrag über seine Aktivitäten der vergangenen Jahre zum Besten gab, gleichzeitig mit den Fahnen der Freedom Parade und der Fidesz[2] im Hintergrund und Rednern der AfD und Fidesz im Programm.

    – Wie geht das zusammen: sich einerseits von Rechts distanzieren zu wollen, gleichzeitig aber auf deren Veranstaltung zu tanzen? Mit Rechten zu reden, ist die eine Sache, für sie, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, Werbung zu machen, eine ganz andere.

    Jedem einzelnen Menschen und jeder einzelnen Gruppe muss bewusst sein – und das gerade, wenn es sich um exponierte Persönlichkeiten handelt, wie es bei Captain Future der Fall ist –, dass solche Aktionen auch allen anderen Personen und Gruppen in deren Umfeld einen erheblichen Schaden zufügen.

    Wenn so etwas – wie jetzt – passiert ist, reicht es nicht, sich mit Unwissen oder ungeplantem Handeln herauszureden. Vielmehr bedarf es einer offenen Analyse der Beweggründe (die mitunter auch schlicht aus Naivität bestehen mögen, was die Sache freilich nicht einfacher machen würde) sowie einer klaren und eindeutigen Positionierung: gegen Rechts, gegen nationalsozialistisches Gedankengut und gegen antisemitische Propaganda, die mit einer Entschuldigung gegenüber allen davon betroffenen Partnern einhergehen sollte.

    Wir sind alle erwachsen und somit verantwortlich für das, was wir tun. Fehler passieren, das lässt sich nicht verhindern und es ist entschuldbar. Diese einzugestehen, zeugt nicht nur von eigenverantwortlichem Handeln, sondern auch von der Fähigkeit zur Selbstreflektion und dem Willen, aus diesen Fehlern lernen zu wollen.

    Wir, die Freien Linken Berlins, versuchen, unsere Differenzen im Diskurs zu klären. Wir beleidigen und diffamieren nicht und wir verhalten uns so, wie wir es gleichermaßen von unserem Gegenüber erwarten. Aber wir beenden auch Kooperationen, wenn eine Seite feststellen muss, dass die Ziele nicht mehr dieselben sind. Bevor wir es jedoch soweit kommen lassen, sprechen wir miteinander, so wie es die Freie Linke Berlin, die Freedom Parade und Captain Future jetzt getan haben und weiterhin tun werden. Das sind wir Allen schuldig, die mit uns gemeinsam im Widerstand gegen dieses Regime und seine Maßnahmen kämpfen. In diesem Sinne: hoch die internationale Solidarität! Auf einen gelingenden 1. Mai!


    [1] Ignaz Bearth war Mitglied der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), ist Ex-PEGIDA-Aktivist und der Lebensgefährte von Bettina alias „Coronita“.

    [2] Im Sommer 2007 geriet Fidesz in die Kritik, nachdem die Partei die Gründung der rechtsextremen paramilitärischen Organisation Ungarische Garde nicht verurteilt hatte. Die Ungarische Garde strebte – auch mit militärischen Mitteln – die „Beseitigung“ der als korrupt geltenden Regierung Gyurcsány an.

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