Zur Buchvorstellung („Corona und linke Kritik[un]fähigkeit“) und Diskussion mit Peter Nowak et al. am 14.6.2022 in Berlin
Ein Gastbeitrag von Zaphod Beeble.
Peter Nowak hat zu den Corona-Maßnahmen und ihren Kritikern einiges in den letzten beiden Jahren auf „Telepolis“ veröffentlicht und dabei die Pflöcke zur Eingrenzung seiner Sicht eingeschlagen. Man konnte immer spüren, hier hat jemand ein antiautoritäres Unbehagen und gleichzeitig aber große Schwierigkeiten mit denjenigen, die die Maßnahmen des Staates ablehnten und dagegen protestierten. Zwar war bei ihm nie die Rede von „Corona-Leugnern“. Aber wesentliche Einordnungsschablonen, die Politik und Leitmedien von Anfang an vorgaben, tauchten auch bei ihm, leicht verändert vielleicht, immer wieder auf. In Nowaks Ausführungen zum Thema war stets dabei: „rechtsoffene“ Querdenker, „Irrationalität“, „individualistische Egozentriker“, „verschwörungstheoretische Kritiker“. Seine eigene Position dagegen gab sich staats- und gesellschaftskritisch aus „emanzipatorischer“ Sicht – was immer das sei.
Bei der Veranstaltung zum Buch im Kiezladen in der Neuköllner Sonnenalle 154 am 14.6.22 waren diese Schablonen der Sicht auf die C-Maßnahmen und deren Kritiker klar wieder erkennbar. Wobei Nowak in seiner Eingangsrede sofort herausstellte, dass sie, die Autoren, „keine Naturwissenschaftler“ seien – um damit auch gleich klar zu machen, dass das, was das ganze Narrativ um das „Pandemiegeschehen“ ausmacht, nicht ihr Thema ist. Also: keine Betrachtung und Auseinandersetzung mit den ganzen Erzählungen um das angeblich so tödliche Virus, mit den vermeintlich „drohenden Überlastungen des Gesundheitssystems“, mit anlasslosen PCR- und Bürgertests, mit Maskenzwang, mit Impfungen und Impfpropaganda und Verhetzung der Impfunwilligen, mit international aufgestellten Mächten, finanzstarken Stiftungen, Pharmaindustrie und deren weitverzweigten Netzwerken. Und damit auch keine Betrachtung und Beurteilung dessen, wie diese gesamten staatlichen und konzernvermittelten Maßnahmen vor dem Hintergrund des tatsächlichen „epidemischen“ Geschehens sich darstellen. Man hat rundum den Eindruck, die Narrative um „das Virus“ werden überhaupt nicht in Frage gestellt.
Die anwesenden Autoren versuchten dagegen, vom Standpunkt eines „libertären Marxismus“ (wer den nicht kennt, der suche bei Wikipedia z.B. den Artikel zu Karl Korsch auf) in in ziemlich traditioneller Weise zu argumentieren. In dieser Welt kennt man den berühmten Klassengegensatz zwischen Kapitalisten und Proletariat, die kapitalistische Ausbeutung und den bürgerlichen Staat. Auf der Folie dieser einfachen Ideenwelt drängt es sich auf, dass wohl das Hauptproblem ihrer zarten Kritik an den C-Maßnahmen und dem untergründigen Unwohlsein damit darin besteht, die eigenen traditionellen Anschauungen darauf abbilden zu können. D.h.: dieses Weltbild aufrecht erhalten zu können und entsprechende Schablonen zur Einordnung des Geschehens dafür zu erstellen. Wohlgemerkt: es geht ihnen nicht um Aufklärung des evidenten Geschehens der letzten beiden Jahre und um eine Auseinandersetzung mit den ganzen Erzählungen rund um das Virus und die darauf bauenden repressiven Maßnahmen. Man bekommt geradezu den Eindruck, dass diese Narrative keineswegs in Frage gestellt werden – und auch nicht in Frage gestellt werden sollen. Da kommt dann beispielsweise bei entsprechender Nachfrage banal als Antwort, es gebe halt keine Gesellschaft „ohne Regeln“!
Sie sehen wohl, dass mit dem Maßnahmen einiges nicht stimmte, und stellen richtigerweise fest, dass die Lockdowns doch stets heftige Ausnahmen beinhalteten: vornehmlich die Aufrechterhaltung der Produktion durch die „Malocher“ im Gegensatz zum Arbeiten im wohl ausgestatteten Homeoffice bei den besser Verdienenden und gut Wohnungsversorgten. Nowak verwies dabei auf ein Foto im Buch, wo ein beleuchtetes („wir sind im Homeoffice!“), teures und teilweise leerstehendes modernes Mietobjekt an der Spree abgebildet ist, in einer Gegend, in der die Obdachlosen gleichzeitig von der Polizei verdrängt wurden. Damit ist man dann schnell auf der Spur der „Non-/Zero-Covid“-Anhänger des linken Milieus, die vor allem auch die Schließung der kapitalistischen Produktion forderten – und ansonsten die repressiven Maßnahmen fraglos akzeptierten und sogar forderten. Und die natürlich auch die lizenzfreie Versorgung der ganzen Welt mit den nie hinterfragten Gen-Impfstoffen als linke Großtat propagierten.
Die Spaltung der (nicht nur bundesdeutschen) Gesellschaft in C-Zeiten versuchten die Autoren dann nachzuzeichnen und stellten gegenüber: das Lager des „Nationalpatriotismus“ und das Lager des „egozentrischer Irrationalismus“, der „Querdenker“ oder „Esoteriker“. Schnell war man auch dabei, auf die herausgestellte eigene Beobachtung rechtslastiger Teilnehmer bei den Demonstrationen gegen Maßnahmen zu kommen. Dass es bei diesen vielen Demonstrationen (und deren Verboten – dazu kein Wort von Nowak et al.!) primär um die vielfältigen Freiheitseinschränkungen und Unterdrückungen von Meinungsäußerungen durch den Staat und die Medien ging, war jedoch keine Sicht auf das Thema. Zensur in den Internetmedien, Unterdrückung andersdenkender Wissenschaftler und Experten: kein Thema. Und im Kern ist das das Auffällige: Freiheitsrechte spielen für diese Linke ebenso wenig eine Rolle wie bei den staatsfrommen „Linken“ – ein Defizit, welches sich leider wie ein roter Faden durch die Geschichte des Marxismus zieht. Freiheitseinschränkungen betrachtet man nur vom „Klassenstandpunkt“, d.h. wenn staatlicherseits die eigenen politischen Bewegungen unterdrückt werden. Einschränkungen der Freiheitsrechte der Bürger und Individuen stehen kaum oder gar nicht in der Kritik. Man darf daher vermuten, dass dieser „libertäre“ Marxismus schnell an seine Grenzen kommt, wenn er „Notwendigkeiten“ und Bedarf nach „Regeln“ entdeckt. Autonomie und Mündigkeit der Bürger? Gibt es nicht. Insgesamt muss als Fazit festgestellt werden: Eine wirkliche Analyse der Ereignisse, die mit dem Corona-Geschehen auf uns weltweit hereingebrochen sind, findet in diesem doch sehr traditionalistisch geprägten Linksmilieu nicht statt. Dabei gibt es doch so viele Schnittpunkte zur bisherigen Kritik an der seit Jahrzehnten global neoliberal dominierten Welt, dass man kaum verstehen kann, warum diese Linien nicht gezogen werden, und so, dass sich auch die C-Welt darin wiederfindet. Die Vermutung ist, dass man sich in diesem Milieu krampfhaft distanzieren möchte von der „bürgerlichen“ Kritik an den Maßnahmen, die tatsächlich und seltsamerweise oft – sehr sachlich – aus der rechtsliberalen politischen Opposition kamen (mit denen wir Linken sonst nichts gemein haben!). Nach dem Motto: Weil die Kritik der Maßnahmen von diesen „Bürgerlichen“ kam, müssen wir uns davon fernhalten. Sonst: „Kontaktschuld“!