Von Walter van Rossum – 9. April 2025.
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Im Gespräch mit Walter van Rossum sucht der Psychologe Klaus-Jürgen Bruder nach Antworten auf die Frage, warum eine Friedensbewegung, die mit den anstehenden Herausforderungen Schritt hält, bisher ausbleibt.
Vom 10. bis zum 12. April findet in Berlin ein Kongress mit prominent und kompetent besetztem Podium zum Thema „Krieg und Frieden“ statt (1). Organisiert hat diesen Kongress die Neue Gesellschaft für Psychologie. Professor Klaus-Jürgen Bruder war bis 2023 Vorsitzender der NGfP, heute gehört er zum erweiterten Vorstand. Walter van Rossum hat mit Klaus-Jürgen Bruder über den bevorstehenden Kongress gesprochen.
Walter van Rossum: Herr Bruder, Die Neue Gesellschaft für Psychologie hat zu diesem Kongress eingeladen und auch Sie sind Psychoanalytiker. Hat die Frage von Krieg und Frieden auch eine seelische Komponente?
Klaus-Jürgen Bruder: Ja, alles hat eine seelische Komponente, alles, was wir tun, und was uns widerfährt, weil wir mit einer Seele ausgestattet sind, also auch Krieg und Frieden.
Ihre Frage ist wahrscheinlich, ob diese seelischen Komponenten (allein) den Krieg und den Frieden erklären können.
Und da muss man sagen: nein. Vor allem nicht, wenn wir an die Psychologie eines Individuums denken, aber sozialpsychologische Prozesse spielen auf jeden Fall eine Rolle, aber auch sie nicht allein. Psychische Prozesse stellen Antworten auf vorliegende, sich abzeichnende und erwartete Probleme und Ereignisse dar, wie auch Versuche der Vorbereitung auf diese. Zudem haben Krieg und Frieden natürlich weit reichende psychische und sozialpsychologische Folgen. Deshalb haben wir zu unserem Kongress auch nicht nur Psychologen eingeladen, sondern auch Vertreter anderer Disziplinen, die alle zusammen erst Krieg (und Frieden) mit einiger Aussicht auf Erfolg erklären können oder durch ihre Analysen uns einer Aufklärung näherbringen können.
Ich will Sie nicht erschrecken, doch stellen Sie sich bitte vor, Marie-Agnes Strack-Zimmermann wäre Ihre Patientin. Könnten Sie ihr den Krieg eher im therapeutischen Gespräch oder mit politischen Argumenten austreiben?
Frau Strack-Zimmermann wäre nicht meine Patientin, sie würde nicht zu mir kommen. Ich glaube auch nicht, dass Frau Strack-Zimmermann Therapie-geeignet ist, das wäre ein sehr mühseliger Prozess. Und entscheidend ist: Therapie — im Unterschied zu allen Formen von („schwarzer“) Pädagogik oder Propaganda — ist keine Gehirnwäsche. Sie kann nur als die freiwillige und mühevolle Arbeit der durch den Therapeuten unterstützten Selbstreflexion mit Aussicht auf Erfolg verstanden und unternommen werden.
Und auch allgemein: Warum jemand eine bestimmte Haltung, Einstellung hat, ist nicht pauschal zu erklären, allenfalls in einer Rekonstruktion seiner individuellen Biografie.
Binnen weniger Jahre ist es der herrschenden Öffentlichkeit gelungen, das Wort „Frieden“ gewissermaßen ins Anrüchige zu verschieben. Wie war das möglich?
Ich würde eher sagen: Die Bedeutung von „Frieden“ wurde verändert, dadurch dass die Kriegstreiberei und die Kriegshandlungen als Mittel zum Frieden im politischen Diskurs von Regierung und Medien dargestellt wurden. „Frieden schaffen mit Waffen“: so wurde die Parole „Frieden schaffen ohne Waffen“ pervers umgedreht. Gregor Gysi hat in seiner Bundestagsrede diese Haltung mit Wohlwollen bekräftigt und von Friedrich Merz ist die zynische Äußerung bekannt, Frieden gäbe es auch auf dem Friedhof — für die Soldaten des von ihm mitvorbereiteten Kriegs mit Sicherheit.
Und wie konnte eine breite und bunte Friedensbewegung gleichzeitig den Betrieb einstellen?
Das ist sozusagen die Rückseite der gerade beschriebenen Medaille. Die Schwäche der Friedensbewegung ist die Rückseite der Stärke der Kriegspropaganda.
Die Frage, was die Friedensbewegung selbst dazu beigetragen hat, ist nicht so schematisch, nicht so schnell zu beantworten. In groben Zügen muss man zwei Antworten heranziehen. Zum einen, kurzfristig gesehen, hat die Friedensbewegung unter dem Versagen der Linken im weitesten Sinne während der Corona-Pandemieinszenierung ihre eigene Kraft verloren.
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