Buchkritik: Unser Mann in Havanna (1958, Graham Greene).
Von Roland McHale.
Kuba, 1958: der Engländer Wormold betreibt eine Staubsauger-Handlung in Havanna, die Geschäfte liefen schon mal besser. Des weiteren ist er alleinerziehender Vater einer 17-jährigen Tochter, die einen sehr teuren Lebensstil pflegt. Da kommt es gerade recht, dass der britische Geheimagent Hawthorne, der gerade dabei ist, ein Agentennetz in der Karibik aufzubauen, ihn anwirbt. Aus finanziellen Gründen willigt Wormold ein, und bekommt den Auftrag, ein Büro in Havanna aufzubauen und selbst Informanten anzuwerben. Mangels Erfahrung und Ausbildung weiß er aber nicht so recht, wie das geht, und erfindet kurzerhand seine Informanten und schickt zB eine Skizze eines überdimensionierten Staubsaugers als angebliche kubanische Geheimwaffe. Überraschenderweise werden aber seine Informationen durchaus ernst genommen, die Zentrale in London schickt Verstärkung, feindliche Dienste werden aufmerksam, und die Sache wird ernst und droht immer mehr aus dem Ruder zu laufen ….
Ein Klassiker des Spionageromans, aber satirischer gehalten als die meisten anderen Genre-Vertreter. Graham Greene bedarf vielleicht keiner weiteren Vorstellung, aber kurz zusammengefasst: geboren 1904 in Großbritannien, in den 20er-Jahren kurzzeitige KP-Mitgliedschaft, im 2. Weltkrieg britischer Geheimdienst-Mitarbeiter, danach Journalist und Schriftsteller. Und natürlich mit viel Insider-Wissen über das Innenleben von Geheimdiensten und über westliche geostrategische Interessen. Bei seiner schriftstellerischen Tätigkeit hat er sich mit vielen wichtigen Themen und Krisenherden beschäftigt, wie zB Vietnam/Indochina („Der stille Amerikaner“), Südafrika („Der menschliche Faktor“) oder Haiti („Die Stunde der Komödianten“). Obwohl er als linker Kritiker der US-Außenpolitik galt und zB ein bekennender Unterstützer von Fidel Castro war, wurden viele seiner Bücher in/von Hollywood erfolgreich verfilmt, am Bekanntesten wahrscheinlich „Der dritte Mann“ (1949). Übrigens unter Regie von Carol Reed, der 1959 auch „Unser Mann in Havanna“ verfilmt hat, mit Alec Guinness in der Hauptrolle.
Es ist immer ein schwieriger Balanceakt, Bücher, Filme, etc. zu rezensieren, ohne dabei zu viel von der Handlung vorweg zu nehmen. Nur so viel: was Mr. Wormold in diesem Buch so alles treibt, hat was vom „Hauptmann von Köpenick“. Die vordergründige Spionage-Handlung ist überaus spannend gehalten, und das Mafia- und Halbwelt-Paradies, das Kuba vor der Revolution 1959 war, wird gut nachvollziehbar dargestellt. Was das Buch (und auch die kongeniale Verfilmung) aber heute noch viel relevanter macht, ist die blinde Hörigkeit, die London seinem „Experten“ vor Ort entgegen bringt, und die internen Zweifler (die sich bei den haarsträubenden „Geheimwaffen“-Skizzen an einen Staubsauger erinnern) werden konsequent niedergebügelt. Die bürokratischen Dienstwege kannte der ehemalige Geheimdienstler Greene nur zu gut – ob es in seiner Zeit tatsächlich ähnliche Stories gab, bleibt der Spekulation überlassen.
Alle Ähnlichkeiten zu heutigen Situationen sind rein zufällig. Pflichtlektüre, gut und leicht lesbar, auf Flohmärkten und in Bibliotheken auch relativ leicht erhältlich. Uneingeschränkt zu empfehlen, wie im Übrigen alle anderen Werke von Graham Greene ebenfalls!